„In unserem Haus ist der Herr Bischof groß geworden“
Betroffenheit herrscht seit dem Tod von Alterzbischof Alois Kothgasser in seiner Heimat. Familien erinnern sich an Begegnungen.
Ja, oft hatten wir tiefschwarze Augenringe, weil wieder einmal mitten in der Nacht das Telefon geläutet hat“, erinnert sich Marianne Papst – in Schwarz gekleidet. „Dieser Herr hat uns häufig aus den Federn geholt“, lacht die Pensionistin und zieht bedächtig ein Bild des verstorbenen Salzburger Alterzbischofes Alois Kothgasser hervor. „Wissen Sie, der Luis ist in diesem Haus groß geworden. Kirchlich groß geworden“, erzählt die Südoststeirerin.
„Oft ist er nämlich am Weg von Rom nach Graz mit dem Zug irgendwo hängen geblieben und wir mussten ihn um halb zwei Uhr in der Nacht vom Hauptbahnhof abholen“, erinnert sich die St. Stefanerin. „Ich brauche wieder einmal ein päpstliches Fuhrwerk nachhause“, hätte der Erzbischof humorvoll am Telefon geflüstert. Nicht nur wegen ihres Familiennamens, lacht Marianne Papst, habe sich der Bischof ihrer Familie sehr verbunden gefühlt: „Es war die Freude an der Heimat.“ Geboren wurde Alois Kothgasser am 29. Mai 1937 als Sohn einer Bauernfamilie im Ortsteil Lichtenegg. Wo sein Elternhaus stand, ist heute nur noch eine Wiese. Ein farbiges Familienfoto im örtlichen Gemeindeamt erinnert aber noch daran, wie wichtig ihm seine Familie und seine bäuerlichen Wurzeln waren. Noch in der Nacht hat Amtsleiter Josef Krisper persönlich die schwarze Fahne vor dem Gemeindeamt gehisst.
„Der Bischof war mein Großcousin“, öffnet der 56-Jährige stolz einen Ordner auf seinem PC. Darin finden sich Hunderte Fotos aus dem Leben von Alois Kothgasser. Imponiert habe ihm seine bodenständige Art und „dass er immer ein Steirerbua geblieben ist“. Sein Heimaturlaub in St. Stefan sei ihm buchstäblich heilig gewesen, erinnert sich der Amtsleiter. „Und da hat meine Mutter immer für den Erzbischof ein Willkommensmenü gezaubert. Hoansterz mit Schwammsuppe war seine Leibspeise.“Für die Gemeinde organisiert Krisper eine Reise zum Requiem nach Salzburg.
Blickt man in Krispers Büro in Richtung Pfarrkirche, so sieht man ein Lichtermeer: Es sind die roten Rücklichter der Autos, die im Minutentakt vor dem Gotteshaus ein- und ausparken. Viele wollen ein Kerzerl für den Verstorbenen anzünden. Im Pfarrhaus hat Pfarrer Christoph Grabner die Erzdiözese Salzburg am Telefon: „Er war ein ganz Großer, die Wunde sitzt auch bei uns sehr tief“, flüstert Grabner. Sämtliche Gottesdienste in den kommenden Tagen würden im Gedenken an Kothgasser abgehalten.
„Jaja, der Herr Bischof hat die berufliche Pünktlichkeit zwar erfunden, aber wenn er im Lande war und hier in seinem Bischofszimmer übernachtet hat, hat er sowas von verschlafen“, schmunzelt Grabner: „Was war das immer für ein Gelächter am Frühstückstisch“, erzählt der Pfarrer. Kothgasser hätte jedoch nur gemeint: „Nehmt es bitte nicht persönlich, aber nirgendwo kann ich so gut ausschlafen wie daheim in St. Stefan.“