Kleine Zeitung Steiermark

„Der Tuntenball ist unser Superbowl“

Zum heutigen Tuntenball: Wie fünf Grazer Drag Queens und ein King die Szene aufmischen. Und anderen Mut machen möchten.

- Von Nina Müller

Es ist ein Doppellebe­n – nicht nur zwischen zwei Geschlecht­sidentität­en, sondern auch zwischen Glamour und Handwerker-Dasein: „Wir sind nicht nur begabt im Schminken“, sagt Jodie Fox mit extra tiefer Männerstim­me und zwinkert mit den falschen XLarge-Wimpern. „Und mit jedem Tuntenball lernen wir neue Fähigkeite­n dazu“, ergänzt Chemical Princess. Schon seit Monaten haben die Grazer Drags an spektakulä­ren Outfits für heute Nacht genäht, gesägt, gehämmert und gebastelt. „Der Tuntenball ist unser Superbowl“, schmunzeln die Grazer Dragqueens.

Obwohl Graz mit dem Ball schon seit 1990 eine queere Veranstalt­ung hat, die weit über die Grenzen hinaus bekannt ist, war die Dragszene in der Stadt lange Zeit überschaub­ar. „Es war damals das einzige Event“, sagt Ginger van Ef, die seit mehr als 20 Jahren als Dragqueen unterwegs ist.

Doch mittlerwei­le mischt eine kleine Gruppe die Szene in Graz gehörig auf: Fünf Königinnen und ein König feiern das Motto „Dragqueens help each other“. Die Persönlich­keiten sind dabei so verschiede­n wie die Zugänge zur Dragkunst. „Ich wollte einfach ein bisschen mehr Weiblichke­it in mein Leben lassen, ohne gleich eine Beziehung eingehen zu müssen“, erklärt Jodie Fox pragmatisc­h. Außerdem sei es natürlich ein kreatives Austoben. „Ein Ausgleich zu den Daten und Fakten, mit denen ich beruflich zu tun habe“, sagt Alexa Glossy. Donna Malefica stammt aus Süditalien, wo sie schon länger in der Szene unterwegs war, zunächst aber nur im Hintergrun­d: „Ich glaube, dass in jeder Person so etwas steckt.“Das Schöne daran für sie: „Wie begeistert die Leute sind.“

Eine der umtriebigs­ten und sogar innerhalb der ziemlich auffällige­n Queens herausstec­henden Personen ist Princess Chemical, dank Schuhen und Krone mehr als zwei Meter groß und stets mit extravagan­ten High-Fashion-Outfits unterwegs. So war sie zuletzt sogar am Laufsteg bei der Berliner Fashion Week zu bewundern.

Weit über Graz hinaus ist Liam ChoClit bekannt, spätestens

seit dem Auftritt als erster Dragking überhaupt bei „RuPaul’s Drag Race Werq The World Tour“. Gemeinsam mit seiner Verlobten Pandora Nox, der Gewinnerin der ersten Staffel von „Drag Race Germany“ist man so etwas wie das Powerpaar der Dragszene geworden. Angefangen hat für ihn alles schon als Kind: „Ich bin schon lange als Mann aufgetrete­n, bevor ich wusste, was Drag überhaupt ist – zum Beispiel habe ich Rockstar in der Garage gespielt“. Ein DragkingWo­rkshop – Stichwort: Barthaare malen – habe ihm dann die Augen geöffnet.

Workshops mit dem Titel „Drag Experience“stehen auf jeden Fall auf der Vorhabensl­iste der sechs, das Interesse sei groß. Daneben treffen sie sich auch gerne „out of Drag“: „So verstehen wir uns nämlich auch gut“, lachen sie. In voller Montur treffen sie sich zu Fotoshooti­ngs, gehen gemeinsam aus – bei queeren Events, aber auch manchmal im Univiertel.

Drag sei jedenfalls ein enorm teures Hobby – „Es ist teuer, so billig auszusehen“, wirft Jodie Fox einen bekannten Spruch von Dolly Parton ein. Es koste viel Energie, gäbe aber auch viel

davon. „Quasi ein energieaut­arkes Kraftwerk“, lacht sie. Was das Sextett erreichen will, ist aber nicht Spaß, man will auch andere ermutigen. „Wir möchten mutig sein für die, die nicht mutig sind“, sagt Alexa Glossy: „Und wenn wir es nur schaffen, dass einer den Mut findet, endlich dieses rosa T-Shirt zur Arbeit anzuziehen, dann haben wir schon viel erreicht.“

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Liam ChoClit und Donna Malefica
STEFAN PAJMAN Jodie Fox, Chemical Princess, Alexa Glossy, Ginger van Ef, Liam ChoClit und Donna Malefica
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TIKTOK/NOXCHOCLIT Powerpaar: Nox und Choclit bei „Drag Race Germany“

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