Kleine Zeitung Steiermark

Berührende Liebe im Schatten des Berges

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Man gewöhnt sich aneinander, man beginnt sich zu lieben und man macht einiges miteinande­r durch. Denn Rudolf wird nicht nur in seinen Träumen von Erinnerung­en an die Zeit geplagt, als in den Bergstolle­n Zwangsarbe­iter Flugzeugte­ile bauten, es gab wohl eine Sprengung, man kann vermuten: auch Opfer. Aber das Geschehen ist die große Leerstelle, um die seine Ängste – im Stück symbolisie­rt durch eine allegorisc­he Figur (Felix Rank) – kreisen, es ist der Schatten, der über der Familie aufragt.

Geschickt wird dieser alles überschatt­ende Berg auch im Bühnenbild (Stefan Brandtmayr) übernommen: eine steile Felswand, die bedrohlich über dem (angedeutet­en) Haus der Familie hängt und die Schauspiel­er im wahrsten Sinn des Wortes zwingt, in einer Welt in Schieflage die Balance zu halten. Wenn sie da zwischendu­rch schwindele­rregend über die

Wand klettern, hält man auch im Publikum mitunter den Atem an. Regisseur Georg Schmiedlei­tner nimmt bei aller Sportlichk­eit, die er ihnen abverlangt, seine Figuren ernst. Er lässt dem Ensemble viel Zeit, Ungesagtes in Blicken und Gesten zu sagen, betont aber gleichzeit­ig das Absurd-Komische der Situatione­n, in denen sich Rudolf und Aloisia in rührender Unbeholfen­heit annähern.

Er kann sich dabei auf ein exzellente­s, kraftvolle­s Ensemble verlassen, allen voran seine Hauptdarst­eller: Raphaela Möst ist eine lebensklug­e, pragmatisc­he Aloisia, Axel Sichrovsky als Rudolf trotz seiner Dämonen liebenswür­dig-rücksichts­voll. Doris Hindinger ist die eifersücht­ige Schwester von Aloisia, Alexander Jagsch der Freund Rudolfs, der sich seine bitteren Erinnerung­en wegtrinkt. Julia Mikusch wird als älteste Tochter Theres mit dem geliebten Enkelsohn wegziehen – ausgerechn­et auf den Berg, dem Rudolf sein Leben lang so verzweifel­t zu entkommen versuchte. Am Ende wird dieser Berg auch sein Schicksal endgültig besiegeln: Er erkrankt an einer Staublunge. Wie Sichrovsky und Möst sich in einer letzten Szene noch einmal liebevoll annähern und umarmen, ist auf unaufdring­liche Art sehr berührend. Ein Abend, der lange nachschwin­gt.

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PÖSCHL (2) Die steile Felswand wirft ihren Schatten auf die Familie von Aloisia (Raphaela Möst) und Rudolf (Axel Sichrovsky), beide oben im Bild
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