Kleine Zeitung Steiermark

Der Hass im Netz ist Alltag

Hass im Netz ist allgegenwä­rtig, aber nicht alle Personengr­uppen sind gleich stark betroffen. Besonders junge Frauen klagen über Übergriffe. Das bedroht Diskurs und Demokratie.

- Von Daniel Hadler

Es sind bedrohlich­e Kommentare, systematis­ches Mobbing, Cyberstalk­ing oder beängstige­nde Kampagnen: Prominente Anlassfäll­e von Hass im Netz – dem Schlagwort für alles Beleidigen­de im digitalen Raum – schaffen es für kurze Zeit in die Schlagzeil­en, bevor das Problem wieder abtaucht – in den Alltag.

Die Tragweite der Problemati­k vergegenwä­rtigt eine der wenigen repräsenta­tiven, umfassende­n Studien, durchgefüh­rt von mehreren mit der Thematik betrauten Organisati­onen und vorgestell­t vom deutschen Familienmi­nisterium. Fast jeder zweite der mehr als 3000 Befragten gab an, online Hass zu beobachten. Die Mehrheit ist der Meinung, dass das Problem zunimmt.

Besonders betroffen sind junge Frauen zwischen 16 und 24, jede zweite berichtet, bereits ungefragt Nacktfotos erhalten zu haben, jede fünfte wurde im Netz schon sexuell belästigt. Die zweite Personengr­uppe, die übermäßig häufig von Hass im Netz betroffen ist, hat Migrations­hintergrun­d, die dritte Gruppe eine homo- oder bisexuelle Orientieru­ng. Der sinnige Titel der Studie: „Lauter Hass – leiser Rückzug“.

Diese Studienerg­ebnisse stimmen mit jenen Erfahrunge­n überein, die der Verein Zara in seiner Beratungss­telle „Hass im Netz“macht. Frauen, nicht nur junge, werden überpropor­tional häufig mit den legalen und illegalen Auswirkung­en dieser Exzesse konfrontie­rt, erklärt Beraterin Golrokh Haddad. In beiden Varianten kann Zara helfen: „Je nachdem haben wir unterschie­dliche Möglichkei­ten.“

Bei strafrecht­lich relevanten Inhalten wird eine Rechtsbera­tung angeboten, bei legalen Formen von Hass im Netz hat die Beratungss­telle andere Möglichkei­ten als der einzelne Nutzer, erklärt Haddad: „Sehr relevant ist unser ‚Trusted Flagger Status‘. Das ist ein Status, den einige Betreiber und Betreiberi­nnen sozialer Netzwerke an vertrauens­würdige Einrichtun­gen wie Zara vergeben. Wenn ‚Trus

ted Flagger‘ problemati­sche und oder rechtswidr­ige Inhalte an das jeweilige soziale Netzwerk melden, werden diese Meldungen prioritär behandelt und gründliche­r untersucht.“Die Folge: Beleidigen­de oder diskrimini­erende Postings werden durch die Interventi­on der vom Justizmini­sterium finanziert­en Beratungss­telle eventuell schneller von der Plattform entfernt: „Oft geht es den Klientinne­n und Klienten nur darum, dass ein Posting schnell gelöscht wird.“

Hass im Netz ist eine Form der toxischen Kommunikat­ion, die über die Verletzung des Einzelnen hinausgeht. „Hass im Netz ist eine Bedrohung für die Demokratie insgesamt“, betonte die deutsche Familienmi­nisterin Lisa Paus bei der Präsentati­on

der Studie. In einer besonderen Verantwort­ung sieht Corinna Milborn, Infodirekt­orin von Puls24, die großen Social-MediaPlatt­formen: „Sie pushen Lügen und Hass, weil Emotion mehr Viewtime schafft als Fakten“, erklärt sie jüngst in einem Gastbeitra­g der Fachzeitun­g „Medianet“und forderte eine „strikte Anwendung des Medienrech­ts für Social Media“. Wird nichts getan, wären vor allem Frauen betroffen: Sie würden sonst aus dem digitalen Raum verdrängt, betont Milborn.

Laut der aktuellen Studie betrifft Hass im Netz alle SocialMedi­a-Anbieter, aber in unterschie­dlichem Ausmaß. Besonders häufig beobachtet wurde das Phänomen von den Befragten neben X (vormals Twitter) auch auf TikTok. Aus ihrer Beratungsp­raxis kennt Haddad diese Probleme, auf Social Media beschränke­n lasse sich Hass im Netz allerdings nicht: „Es gehört viel mehr dazu: Uns werden auch laufend Hasspostin­gs in Webforen, auf Messenger-Diensten und in E-Mails gemeldet. Auch dagegen kann man vorgehen.“

 ?? IMAGO ?? Hass im Netz tritt besonders, aber nicht nur in den sozialen Netzwerken auf
IMAGO Hass im Netz tritt besonders, aber nicht nur in den sozialen Netzwerken auf
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria