Die Welt der jungen Rechten
Junge Männer geraten am häufigsten in die Fänge rechter oder rechtsextremer Ideologien. Einer davon ist der 35-jährige Manuel Pölzl.
Manuel wollte ein Nazi sein. Als 14-Jähriger war der Weststeirer fest davon überzeugt, welchen Weg er in seinem Leben einschlagen möchte: „Für mich war es normal, in einer Umgebung zu sein, wo es keine Farben gibt, wo man unter sich bleibt, wo alle, die nicht so aussehen wie man selbst, der Feind sind“, erzählt er heute mit 35 Jahren.
Als Jugendlicher trägt er keine Bomberjacke oder Springerstiefel, sein Kopf ist nicht kahl rasiert, trotzdem schwirrt darin rechtes Gedankengut herum: „Meine Gedanken waren: Mit jedem, der schwarz ist, will ich nichts zu tun haben. Jeder, der aus einem anderen Land kommt, nimmt uns unsere Jobs weg.“
Am Wochenende kommt es im Club regelmäßig zu Schlägereien und Messerattacken zwischen „den anderen und uns“, damit meint Manuel seine rechte Jugendclique. Ausländer waren das Zentrum ihres Hasses. Nur bei seinen „Hawara“fühlt er sich verstanden und ernst genommen. Jung, männlich, rechts: Es ist eine Entwicklung, die Expertinnen und Experten seit Jahren beobachten. Junge Männer geraten am häufigsten in die Fänge rechter oder rechtsradikaler Ideologien. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der „Financial Times“knüpft an diese Forschungsergebnisse an. Zwischen den Grundwerten der Geschlechter entsteht ein immer größer werdender Graben: junge Frauen werden linker, junge Männer rechter. „Die Pubertät ist für viele eine Herausforderung, es geht um die Suche nach der eigenen Identität. Rechtsextremistische Gruppierungen haben ein sehr attraktives Angebot. Sie fragen nicht danach, wer möchte ich eigentlich sein? Im rechtsextremistischen Weltbild ist alles schon in die Wiege gelegt“, sagt Rechtsextremismusexpertin Judith Goetz.
Die Unsicherheit der Jugendlichen nutzen Rechtspopulisten und -extremisten häufig für sich, indem sie den Jungen auf unterschiedliche Weise eine Sicherheit oder Anerkennung versprechen, „aber sie bestärken die Menschen nur in ihren Vorurteilen. Das ist das Gegenteil von Aufklärung“, sagt Bernhard Weidinger, Rechtsextremismusforscher am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW).
Einmal in der Szene gefangen, ist es schwer wieder herauszukommen. Hilfe für Betroffene gibt es kaum, Prävention wird bei fest verankerten Weltanschauungen zur Herausforderung. Auch
Rufe nach konkreten Aussteigerprogrammen in Österreich bleiben ungehört. 2019 forderten zuerst Neos, später 2021 auch Grüne, SPÖ und ÖVP mehr Ressourcen zum Schutz gegen Rechtsextremismus. Die FPÖ kündigte bereits für Ende 2019 einen Aktionsplan an. Passiert ist bisher wenig: „Die bisherigen Ansätze waren nur Pilotprojekte. Es wäre wünschenswert, ein Programm zu haben, das auf Rechtsextremismus spezialisiert ist“, sagt Weidinger. Nur der Verein Neustart und die Beratungsstelle Extremismus bieten bundesweit Distanzierungsarbeit an, und die Anzahl der Klienten ist hoch.
„Zurzeit betreuen wir in ganz Österreich 213 Personen mit rechtsextremistischem Hinter
grund. Rund 85 Prozent sind Jugendliche und junge Männer bis Mitte 20. Sie alle müssen zur Beratung kommen, weil sie straffällig geworden sind“, erklärt Nikolaus Tsekas, Sozialarbeiter und Leiter von Neustart in Wien. Ähnlich sieht es bei der Beratungsstelle Extremismus aus. Der Unterschied: Hier können Aussteiger oder jemand aus ihrem Umfeld freiwillig um Hilfe ansuchen. Leiterin Verena Fabris: „2023 hatten wir 650 Erstkontakte, 130 davon waren rechtsextreme Fälle. Das war unser stärkstes Jahr überhaupt.“
Ein erfolgreicher Ausstieg müsse jedoch mehr sein, als nur die Tatsache, nicht mehr straffällig zu werden: „Da geht es um den Wechsel des sozialen Umfelds, den Aufbau eines neuen Selbstbildes. Der Idealfall wäre, dass die Leute sich aus der Szene zurückziehen und im besten Fall in der Präventions- bzw. Ausstiegsarbeit aktiv werden“, sagt Weidinger.
So wie Manuel. Er war zwar nie ein Teil der rechtsextremen Szene, aber er „hatte den Weg vor Augen“, wie er heute sagt. „Wenn ein junger Bub so etwas laut ausspricht und davon überzeugt ist, ein Nazi sein zu wollen, muss man ihm zuhören und ihn ernst nehmen.“Er hat im Laufe seiner Jugend den Kontakt zu seinen damaligen Freunden abgebrochen und ein neues Leben auf der Tanzbühne begonnen. Seit mehr als 15 Jahren ist er als Hip-Hop-Tänzer aktiv und arbeitet daneben in der Präventionsarbeit. Er will Jugendliche abfangen, bevor sie in die Szene abrutschen: „Ich möchte Jugendliche durch meine Erfahrung erreichen und ihnen zeigen, dass sie nicht alles mitmachen müssen, nur weil sie glauben, keine andere Perspektive zu haben.“
” Wenn ein junger Bub laut ausspricht, ein Nazi sein zu wollen, muss man ihm zuhören und ihn ernst nehmen. Manuel Pölzl spricht über seine Jugend “