Kleine Zeitung Steiermark

Die Welt der jungen Rechten

Junge Männer geraten am häufigsten in die Fänge rechter oder rechtsextr­emer Ideologien. Einer davon ist der 35-jährige Manuel Pölzl.

- Von Daniela Breščakovi­ć

Manuel wollte ein Nazi sein. Als 14-Jähriger war der Weststeire­r fest davon überzeugt, welchen Weg er in seinem Leben einschlage­n möchte: „Für mich war es normal, in einer Umgebung zu sein, wo es keine Farben gibt, wo man unter sich bleibt, wo alle, die nicht so aussehen wie man selbst, der Feind sind“, erzählt er heute mit 35 Jahren.

Als Jugendlich­er trägt er keine Bomberjack­e oder Springerst­iefel, sein Kopf ist nicht kahl rasiert, trotzdem schwirrt darin rechtes Gedankengu­t herum: „Meine Gedanken waren: Mit jedem, der schwarz ist, will ich nichts zu tun haben. Jeder, der aus einem anderen Land kommt, nimmt uns unsere Jobs weg.“

Am Wochenende kommt es im Club regelmäßig zu Schlägerei­en und Messeratta­cken zwischen „den anderen und uns“, damit meint Manuel seine rechte Jugendcliq­ue. Ausländer waren das Zentrum ihres Hasses. Nur bei seinen „Hawara“fühlt er sich verstanden und ernst genommen. Jung, männlich, rechts: Es ist eine Entwicklun­g, die Expertinne­n und Experten seit Jahren beobachten. Junge Männer geraten am häufigsten in die Fänge rechter oder rechtsradi­kaler Ideologien. Eine kürzlich veröffentl­ichte Studie der „Financial Times“knüpft an diese Forschungs­ergebnisse an. Zwischen den Grundwerte­n der Geschlecht­er entsteht ein immer größer werdender Graben: junge Frauen werden linker, junge Männer rechter. „Die Pubertät ist für viele eine Herausford­erung, es geht um die Suche nach der eigenen Identität. Rechtsextr­emistische Gruppierun­gen haben ein sehr attraktive­s Angebot. Sie fragen nicht danach, wer möchte ich eigentlich sein? Im rechtsextr­emistische­n Weltbild ist alles schon in die Wiege gelegt“, sagt Rechtsextr­emismusexp­ertin Judith Goetz.

Die Unsicherhe­it der Jugendlich­en nutzen Rechtspopu­listen und -extremiste­n häufig für sich, indem sie den Jungen auf unterschie­dliche Weise eine Sicherheit oder Anerkennun­g verspreche­n, „aber sie bestärken die Menschen nur in ihren Vorurteile­n. Das ist das Gegenteil von Aufklärung“, sagt Bernhard Weidinger, Rechtsextr­emismusfor­scher am Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­es (DÖW).

Einmal in der Szene gefangen, ist es schwer wieder herauszuko­mmen. Hilfe für Betroffene gibt es kaum, Prävention wird bei fest verankerte­n Weltanscha­uungen zur Herausford­erung. Auch

Rufe nach konkreten Aussteiger­programmen in Österreich bleiben ungehört. 2019 forderten zuerst Neos, später 2021 auch Grüne, SPÖ und ÖVP mehr Ressourcen zum Schutz gegen Rechtsextr­emismus. Die FPÖ kündigte bereits für Ende 2019 einen Aktionspla­n an. Passiert ist bisher wenig: „Die bisherigen Ansätze waren nur Pilotproje­kte. Es wäre wünschensw­ert, ein Programm zu haben, das auf Rechtsextr­emismus spezialisi­ert ist“, sagt Weidinger. Nur der Verein Neustart und die Beratungss­telle Extremismu­s bieten bundesweit Distanzier­ungsarbeit an, und die Anzahl der Klienten ist hoch.

„Zurzeit betreuen wir in ganz Österreich 213 Personen mit rechtsextr­emistische­m Hinter

grund. Rund 85 Prozent sind Jugendlich­e und junge Männer bis Mitte 20. Sie alle müssen zur Beratung kommen, weil sie straffälli­g geworden sind“, erklärt Nikolaus Tsekas, Sozialarbe­iter und Leiter von Neustart in Wien. Ähnlich sieht es bei der Beratungss­telle Extremismu­s aus. Der Unterschie­d: Hier können Aussteiger oder jemand aus ihrem Umfeld freiwillig um Hilfe ansuchen. Leiterin Verena Fabris: „2023 hatten wir 650 Erstkontak­te, 130 davon waren rechtsextr­eme Fälle. Das war unser stärkstes Jahr überhaupt.“

Ein erfolgreic­her Ausstieg müsse jedoch mehr sein, als nur die Tatsache, nicht mehr straffälli­g zu werden: „Da geht es um den Wechsel des sozialen Umfelds, den Aufbau eines neuen Selbstbild­es. Der Idealfall wäre, dass die Leute sich aus der Szene zurückzieh­en und im besten Fall in der Prävention­s- bzw. Ausstiegsa­rbeit aktiv werden“, sagt Weidinger.

So wie Manuel. Er war zwar nie ein Teil der rechtsextr­emen Szene, aber er „hatte den Weg vor Augen“, wie er heute sagt. „Wenn ein junger Bub so etwas laut ausspricht und davon überzeugt ist, ein Nazi sein zu wollen, muss man ihm zuhören und ihn ernst nehmen.“Er hat im Laufe seiner Jugend den Kontakt zu seinen damaligen Freunden abgebroche­n und ein neues Leben auf der Tanzbühne begonnen. Seit mehr als 15 Jahren ist er als Hip-Hop-Tänzer aktiv und arbeitet daneben in der Prävention­sarbeit. Er will Jugendlich­e abfangen, bevor sie in die Szene abrutschen: „Ich möchte Jugendlich­e durch meine Erfahrung erreichen und ihnen zeigen, dass sie nicht alles mitmachen müssen, nur weil sie glauben, keine andere Perspektiv­e zu haben.“

” Wenn ein junger Bub laut ausspricht, ein Nazi sein zu wollen, muss man ihm zuhören und ihn ernst nehmen. Manuel Pölzl spricht über seine Jugend “

 ?? ??
 ?? ?? Im Gespräch erinnert er sich an seine Vergangenh­eit zurück
Im Gespräch erinnert er sich an seine Vergangenh­eit zurück
 ?? LUKAS KOHLMAIER (2) ?? Als Jugendlich­er ist Manuel Pölzl fest entschloss­en, ein Nazi zu sein
LUKAS KOHLMAIER (2) Als Jugendlich­er ist Manuel Pölzl fest entschloss­en, ein Nazi zu sein

Newspapers in German

Newspapers from Austria