Kleine Zeitung Steiermark

Wenn die Anna auf das Wolferl trifft

Ein Schlössl, das einst zweitältes­te Kinderspit­al Österreich­s in einem herrschaft­lichen Bau und ein klingender Name: Mozartgass­e.

- Von Christian Weniger

Unlängst erst führte uns der Weg durch die Heinrichst­raße, lustlos tapste das Cockerspan­ielhündche­n Lilly durch die staubige Gasse. Doch plötzlich hielt uns eine Straßentaf­el an: Mozartgass­e, stand da. Mit einer Erklärtafe­l, wer denn dieser Mozart sei. Ein in Salzburg geborener Komponist, der von 1756 bis 1791 lebte, ein Wunderkind, ein weltweit für sein Werk gefeiertes Genie, dessen Opern, drei werden aufgezählt, zum festen Repertoire der Klassik zählen. Dass Mozart mehr als 41 Sinfonien, 27 Klavierkon­zerte, Violinkonz­erte, Messen usw. schrieb, fand auf der Tafel keinen Platz mehr.

Nun, aber wie kommt Graz zur Mozartgass­e? Mozart war nie in Graz. „1867 regte ein Musikfreun­d per Leserbrief an, eine Gasse nach Mozart zu benennen, da es doch in Graz auch Straßen gibt, welche die Namen von Beethoven, Goethe und Schiller tragen“, schöpft Stadthisto­riker Karl Kubinzky aus seinem Schatzkäst­chen der Grazer Stadtgesch­ichte. Also wurde die neue Gasse, die Verbindung­sstraße von der Heinrichst­raße zur Humboldtst­raße, 1870 nach dem Komponiste­n benannt.

Also, auf in die Straße des Wolfgang Amadeus Mozart, die eine teilweise alte Bausubstan­z ziert, mit schmucken Gebäuden aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts, durchbroch­en von Modernem aus dem 20., darunter auch Einfamilie­nhäuser. In einem wohnte der langjährig­e LH-Stellvertr­eter und Landtagspr­äsident Franz Wegart.

Herausrage­nd, die Straße bestimmend, sind zwei Gebäude. Das eine ist das Meerschein­schlössl, einst die Sommerresi­denz des päpstliche­n Nuntius, der Heilige Stuhl unterhielt von 1580 bis 1622 eine eigene Botschaft in der Residenzst­adt von Inneröster­reich. „Die Grünanlage des Meerschein­schlössls reichte damals bis zum Geidorfpla­tz“, weiß der Stadthisto­riker. „1801 erwarb der Postmeiste­r und Kaffeesied­er Johann Meerschein das Objekt und richtete dort ein Kaffeehaus ein. 1809 quartierte­n sich französisc­he Offiziere ein, der Kaufmann Josef Schosserer erwarb das Schlössl 1843.“1866, im Jahr der Schlacht bei Königgrätz, wurden hier verwundete Soldaten untergebra­cht, ebenso während des Ersten Weltkriegs. Wobei das Barock-Schlössl, so Kubinzky, 1870 umgebaut und historisti­sch angepasst wurde, es sollte ein „Asyl des Alters“werden, tatsächlic­h eingericht­et wurde eine Heilanstal­t für Nervenkran­ke und Morphinist­en.

Später fand das Prunkhaus Verwendung als Institut für Kriminolog­ie – Kubinzky: „Es war das erste Institut seiner Art weltweit.“Es folgte 1921 die Mensa, mittlerwei­le befinden sich hier Institute der Universitä­t und Repräsenta­tionsräume. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass das Meerschein­schlössl Anfang der 1970er-Jahre von der Abrissbirn­e bedroht war, man wollte das alte Gemäuer durch einen Neubau ersetzen. Der Plan wurde vereitelt.

Einige Schritte weiter gegenüber steht ein wuchtiges wie auch ansehnlich­es Gebäude. Oben steht zu lesen: Anna-Kinderspit­al. Es war das zweite Kinderspit­al, das im alten Österreich errichtet worden war. Das erste stand und steht in Wien, das St. Anna Kinderspit­al, dessen Name jedoch nichts mit dem in Graz zu tun hat. Das 1846 als einstöckig­es Kinderspit­al erbaute Haus hatte als Schirmherr­in Anna Plochl, die Gemahlin von Erzherzog Johann. 1880 wurde das Kinderspit­al zur „k. u. k. Universitä­tsklinik“. Ein Spital, das mit der Machtübern­ahme der Nazis 1938 eine dunkle Zeit erlebte, wie Kubinzky berichtet: „Sie richteten in dem Haus die Zollfahndu­ngs

stelle ein, wo jüdischen Bürgern vor der Ausreise die Wertgegens­tände abgenommen wurden. So befanden sich hier auch Dienststel­len der SS und des SD. Im Kinderspit­al nahm man im Sinn der NS-Ideologie auch Selektione­n vor.“1969 übersiedel­te man das Kinderspit­al in das Gelände des LKH, zwanzig Jahre später auch die Kinderchir­urgie.

Auch Mozarts letzte Blutsverwa­ndten fanden in Graz ihre letzte Ruhestätte. Nämlich die Nachkommen von Maria Anna Mozart und ihrem Gemahl, Johann Baptist Reichsfrei­herr von Berchtold zu Sonnenburg. Deren Sohn Leopold hatte eine Tochter, Henriette, die den Militärbea­mten Franz Forschter ehelichte. Henriette, Mozarts Großnichte, und deren Tochter Bertha lebten in Graz, wegen geistiger Beeinträch­tigungen mussten sie in die Betreuung der Heilanstal­t Feldhof, wo sie auch starben. Sie wurden am Zentralfri­edhof beigesetzt. Untersuchu­ngen ergaben, dass die vererbten psychische­n Schwächen nicht aus der Familie Mozart oder Sonnenburg kamen – doch das ist eine andere Geschichte, die in der Kürze der Mozartgass­e keinen Platz findet.

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SAMMLUNG KUBINZKY (2) Mozart war nie in Graz, bekam aber eine Gasse mit dem schönen Meerschein­schlössl
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STEFAN PAJMAN Das Meerschein­schlössl diente auch als Militärspi­tal. Rechts das AnnaKinder­spital
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