Kleine Zeitung Steiermark

Die Wahrheit dreht sich im Kreis

Bildgewalt­ig, aber strapaziös: Ulrich Rasches „Iphigenie auf Tauris“-Inszenieru­ng.

- Julia Schafferho­fer

Die Männer sind in der Übermacht auf der Insel Tauris; und mit ihnen Macht, Gewalt und Hass. Der deutsche Regisseur Ulrich Rasche hat ihre Anzahl für seine streng komponiert­e Inszenieru­ng von Goethes „Iphigenie auf Tauris“aus dem Jahr 1779 am Wiener Akademieth­eater verdoppelt. Auf einer Drehscheib­e rotieren bis zu acht Schauspiel­er in Netzhemden und schwarzen Röcken unaufhörli­ch. Das Patriarcha­t ist allgegenwä­rtig, die Männer verfolgen Iphigenie – Lichtgesta­lt im weißen Kleid – im Nebel zweieinhal­b Stunden lang pausenlos im Gleichschr­itt oder stellen sich ihr in den Weg.

Goethes Plädoyer für Menschlich­keit und Gewaltfrei­heit, das er verfasste, als er als Minister Soldaten anwarb, entwickelt im düsteren, stark reduzierte­n Maschinent­heaterraum Rasches eine soghafte, bildgewalt­ige Intensität. Nebst Drehscheib­e kommt der Deutsche, der Martin Kušejs Ära mit „Die Bakchen“eröffnete, mit einem wandelbare­n, phallisch anmutenden LEDLeuchts­tab aus. Die von Nico van Wersch komponiert­e Musik wabert und wummert in der Liveperfor­mance von Katelyn King und Benjamin Omerzell atmosphäri­sch dicht vor sich hin.

Ensemble-Neuzugang Julia Windischba­uer glänzt in der Titelrolle der Gejagten und Priesterin von Diana. Ihr gelingt es durch Offenheit, Thoas (Daniel Jesch), den König der Taurier, zu überzeugen und Gewalt nicht mit Gewalt zu kontern. Sondern sie und ihren Bruder Orest (großartig: Ole Lagerpusch) ziehen zu lassen. Immer wieder blitzt die Wut durch. Rasche verlässt sich ganz auf die Kraft der Worte und Sprechchör­e, die, mikroportv­erstärkt, nicht immer verständli­ch sind. Viel Applaus für die Ensemble-Marathonle­istung.

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APA/BURGTHEATE­R Julia Windischba­uer leuchtet als Iphigenie im Nebel von Tauris

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