„Wenn du jemanden schlagen willst, schlag mich dafür“
Patrick Wagner – von der Berliner Band „Gewalt“– hält in „Trans“der Gesellschaft den Spiegel vor: „Anders kann ich nicht.“
Nur wenige deutschsprachige Bands arbeiten sich so wütend am Zustand der Gesellschaft ab wie „Gewalt“, woher kommt das?
PATRICK WAGNER: Ich kann nicht anders. Ich hole mir meine Ideen aus einer S-BahnFahrt oder einem Abendessen. Dabei geht es mir weniger um die Gesellschaft, sondern ich sehe die Auswirkungen. Zum Beispiel in meinem Freundeskreis.
Der neue Song „Trans“ist ein Manifest für das Anderssein. Das Stück hat sich aus Filmmusik für Regisseur Paul Poet entwickelt. Wir haben den Song „Monika in Scherben“für den Dokumentarfilm „Der Soldat Monika“geschrieben, die beim österreichischen Heer Elitesoldatin war (Die Doku wird heuer erscheinen, Anm.). Gleichzeitig irrt diese Monika Donner am rechten Rand und im Verschwörungsmilieu herum. Es ist ein Film und ein Song über eine Gesellschaft, die mit dem Anderssein nicht umgehen kann. Das betrifft auch die Trans-Szene, weil Monika dem rechten Spektrum zuzuordnen ist. Die Trans-Szene hat Soldat Monika nicht anerkannt. Es gibt also eine Unmöglichkeit von allen Seiten. Eine Lesart des Filmes ist es, dass eine Blase die andere nicht anerkennt. Das ist irgendwie verrückt und deshalb haben wir uns entschlossen, über den Film hinaus das Thema zu bearbeiten.
„Ich bin trans“heißt es da, was meinen Sie damit?
Als ich mit Kollegen auf einer Künstler-Fußball-WM in Russland war, schauten wir ein Spiel eines arabischen Teams gegen Israel. Auf einmal brüllte einer: ‚So, jetzt hau denen mal eine rein, den Drecksjuden.‘ Dann bin ich aufgesprungen und habe gesagt: ‚Ich bin Jude.‘ Dann war Ruhe, weil sie Angst bekommen haben. Ich bin nicht jüdisch, ich bin auch ein CisMann, aber so kam uns die Idee für das Video von ‚Trans‘, wo wir mit vielen Künstlerinnen und Künstlern und Menschen aus der Trans-Szene zusammenarbeiten. Es ging uns darum zu sagen: Ich bin trans, jeder könnte trans sein. Wir unterstützen da nicht nur etwas, sondern wollen damit sagen:
Wenn du jemanden schlagen willst, dann schlag mich dafür. Von den Trash-MetalVeteranen Kreator über Oliver Welter bis zu den Sternen reicht die Palette an Unterstützern.
Der Miland „Mille“Petrozza von Kreator hat sich ja am weitesten aus der Deckung gewagt. Die Künstler und Künstlerinnen werden durch das Video bei uns sichtbar. Wir haben ihnen den Song geschickt und Videoschnipsel zurückbekommen, das war ein lustiger Prozess, wie das entstanden ist.
„Gewalt“sind bekannt dafür, dass sie sich stets weit hinauslehnen. Reiben sich noch genug Menschen an dem, was Sie machen?
Es reiben sich nicht mehr so viele Menschen an dem, was man macht. Durch die Vielzahl der Informationen wird man abgestumpft. Bei der Musik an sich sind wir mit „Gewalt“schon fast allein, weil ja in der Musikszene kaum noch jemand etwas versucht. Die Musik hat einen rein funktionalen Charakter bekommen, dabei gibt die Zeit so viel her, die Texte schreiben sich von allein. Wir haben jüngst vom einem Booker gehört, dass wir uns ganz schön weit hinauslehnen. Aber dafür ist Kunst ja da.
Man hat den Eindruck, dass Musik heute vor allem Marketing ist. Siehe das Geschäft um Taylor Swift.
Das war grundsätzlich schon immer so. Jetzt gibt es durch die Algorithmus-Steuerungen neue Möglichkeiten. Wir haben das auch probiert. Wenn wir zum Beispiel etwas mit den Minions posten, hatten wir plötzlich die fünffache Reichweite.
Andreas Kanatschnig