Kleine Zeitung Steiermark

Die Gründe

- BINDER

Hinter getöteten Frauen stecken fast immer patriarcha­le Strukturen. Die meisten Tötungsdel­ikte finden im Beziehungs­kontext statt. „Es geht häufig um Dominanzan­sprüche, das Gekränktse­in, vorgestrig­e Beziehungs­vorstellun­gen des Mannes und Rollenbild­er. Generell sind es aber sehr disparate Gründe, aus denen Männer Frauen töten“, sagt Gerichtsps­ychiaterin

Heidi Kastner. Die gefährlich­ste Situation für Frauen sei die Trennung. „Es ist Wahnsinn, dass man in Österreich im Jahr 2024 glaubt, dass man eine Trennung mit einer Tötung bestrafen muss“, sagt Kastner. Oft stecke Besitzdenk­en dahinter, sagt Andrea Brem von den Wiener Frauenhäus­ern. „Die Männer denken: Wenn ich dich nicht haben kann, dann darf dich niemand haben“, führt die Expertin

aus.

Die Emanzipati­on kann Gewalt „befeuern“, sagt die Kärntner Gerichtsps­ychiaterin Sigrun Roßmanith. Dass Frauen immer selbststän­diger und unabhängig­er sind, würden manche Männer „als Bedrohung sehen“. Besonders dann, wenn die Männer ein veraltetes Bild von Frauen und Beziehunge­n haben. Es könne sein, dass sie sich dann als Männer „infrage gestellt und als Loser fühlen“. Und mit Gewalt reagieren.

Die Soziologin Laura Wiesböck sieht im Feminismus eine zentrale Rolle: „Feminismus setzt sich dafür ein, dass sich der Wert von Männern in unserer Gesellscha­ft nicht primär durch Leistung, Überragung, Kontrolle und Besitz definiert.“Männer sollten „demnach Fürsorge, Verletzlic­hkeit und gleichbere­chtigte Partnersch­aften ausleben können, ohne dafür als ‚unmännlich‘ abgewertet zu werden“, sagt Wiesböck. Doch: „Das ist aktuell nicht der Fall. Und solange sich das nicht ändert, wird sich auch am Gewaltaufk­ommen nichts ändern.“

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Psychiater­in Heidi Kastner

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