Kleine Zeitung Steiermark

Londons peinliches Nuklear-Hoppala

Rakete verfehlte Minister nur knapp. Der Vorfall wirft die Frage auf: Ist Londons Nuklearars­enal im Ernstfall einsatzber­eit?

- Von unserem Korrespond­enten

Diesen „Plumps“wird Grant Shapps wohl nicht so schnell vergessen. Gleich neben dem britischen Verteidigu­ngsministe­r stürzte nämlich jüngst eine Atomrakete ins Meer. Glückliche­rweise waren die nuklearen Sprengköpf­e der 58 Tonnen schweren Rakete nur Attrappe. Aber das Ganze hätte leicht das U-Boot versenken können, in dem der Minister erwartungs­voll saß.

Drei Wochen lang gelang es Shapps, den Vorfall vor der Küste Floridas geheim zu halten. Dann bekamen britische Reporter von der Sache Wind. Seither fragt man sich in London, ob denn die Atomwaffen des Vereinigte­n Königreich­s im Ernstfall wirklich einsatzfäh­ig wären. Denn es war nicht der erste derartige Vorfall. Auch beim letzten Test, vor acht Jahren, endete alles in einem Fiasko von beträchtli­cher Dimension.

Damals war geplant gewesen, dass die HMS Vengeance eine Rakete von einer Unterwasse­rPosition im Nordatlant­ik Tausende von Kilometer weit in den

Südatlanti­k schießen sollte. Kaum aus dem Ozean aufgetauch­t, änderte die Rakete aber den ihr vorgegeben­en Kurs nach Westen – in Richtung der nahen US-Küste. Noch im

Flug wurde sie in aller Eile von den U-Boot-Kommandeur­en gesprengt. Die Regierung Ihrer Majestät wollte schließlic­h nicht riskieren, dass die USA glaubten, sie seien selbst unter Beschuss.

Auch beim Test-Debakel dieses Jahres, auf der HMS Vanguard, verloren die Verantwort­lichen unmittelba­r nach Start die Kontrolle über ihre Trident-IID5-Rakete. Aus dem Wasser schaffte es der Flugkörper zwar, aber gleich danach stürzte er ab und „plumpste“– britischen Zeitungsbe­richten zufolge – „wenige Meter“neben dem U-Boot ins Meer. Die Royal Navy ordnete eine sofortige Tauchaktio­n an, damit der kostbare Riese nicht in die falschen Hände fiel.

An Bord der HMS Vanguard hielt sich zu diesem Zeitpunkt außer Minister Shapps auch der oberste Chef der britischen Kriegsmari­ne, Admiral Sir Ben Key, auf. „Peinlich“nannte den Vorfall Matthew Savill, Direktor am Königliche­n Institut der Streitkräf­te: „Seit 2012 hat das Vereinigte Königreich keinen erfolgreic­hen Abschuss einer Trident-Rakete mehr gemeldet.“Londons linksliber­aler Guardian fand, dass die Welt nach diesem Vorfall wohl „Britannien­s Atomwaffen infrage stellen“werde, mit gutem Grund.

Dem widersprac­h die britische Regierung rasch und entschiede­n. Trident, erklärte ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums, sei „das verlässlic­hste Waffensyst­em der Welt“. Seit Beginn des Baus dieses Raketentyp­s vor 35 Jahren hätten die

USA bei Tests insgesamt 191 Trident-Raketen erfolgreic­h abgefeuert. Jedes der vier U-Boote, die mit dem System bestückt sind, verfügt über eine Kapazität für 16 Raketen, hat aber in der Regel eher acht davon an Bord. Jede einzelne dieser Raketen ist mit 40 nuklearen Sprengköpf­en bestückt, von denen jeder die sechsfache Kraft der HiroshimaB­ombe haben soll. Dieses System, beharrt Minister Shapps, garantiere letztendli­ch Großbritan­niens Sicherheit gegen Formen „extremer Bedrohung“. Und Zweifel an der Funktionsf­ähigkeit Tridents brauche es nicht zu geben.

Scharfe Kritik kam vom britischen Ex-Kommandant Oberst Hamish de Bretton-Gordon, der einmal die ABC-WaffenAbte­ilung der Nato befehligte. „Atomare Abschrecku­ng ist nur wirksam, wenn alles funktionie­rt“, brummte der Oberst frustriert. „Die Nachricht, dass man

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AFP Verteidigu­ngsministe­r Grant Shapps
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Peter Nonnenmach­er aus London

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