Kleine Zeitung Steiermark

„Weniger arbeiten, gleich viel verdienen“

Die Kleine Zeitung lud vier Personen im Alter von 19, 31 und 67 Jahren zur Diskussion – über Work-Life-Balance, Wohlstand und Arbeitsmor­al.

- Von Michael Saria

Wir haben von einem Friseur erfahren, der seit mehr als einem Jahr eine neue Arbeitskra­ft sucht. Es gab nicht einmal ein Bewerbungs­gespräch, weil sich niemand auf seinen Aufruf hin meldete. Mit Verlaub, aber was ist mit der Jugend von heute los?

Wenn man auf diese Branche schaut, dann war die Bezahlung in den letzten Jahren wohl eher unterdurch­schnittlic­h. Viele junge Menschen sehen aber, was auf dem Wohnungsma­rkt passiert und wie schwer es ist, dass man später einmal eine ordentlich­e Pension bekommt.

Außerdem spielt es sicher eine Rolle, dass es Eltern generell forcieren, dass ihre Kinder die Schule fertig machen und später studieren gehen, also eher gegen eine Lehre eingestell­t sind.

Das Beispiel dieses Friseurs steht aus Sicht vieler beispielha­ft für den Umbruch in der Arbeitswel­t.

Diese Diskussion wird ja schon seit einigen Jahren geführt. Der Blick der Jugend auf das Arbeiten hat sich im Vergleich zu deren Eltern bestimmt geändert. Und Jugendlich­e aus gutem Elternhaus können es sich heute halt eher leisten, abzuwarten und auch auszusuche­n, was und wann sie arbeiten.

Ich bekomme es auch in meinem Umfeld mit, dass es tatsächlic­h für viele attraktive­r ist, wenn man sagen kann: Mein Kind studiert. Dabei ist zum Beispiel die Lehre mit Matura eine tolle Idee.

Sollten dann nicht Jugendlich­e alles auf die „Karte“Lehre setzen? In fünf Jahren suchen wir womöglich händeringe­nd einen Installate­ur oder Dachdecker.

Das ist die logische Schlussfol­gerung. Und man darf ja auch nicht vergessen, dass ein Lehrling schon ab 16 sein Geld verdient.

Aber die Aussage, dass die Handwerker in der Zukunft die großen Verdiener sein werden, hat es schon in meiner Jugend gegeben. Und auf diese Zukunft warte ich immer noch.

Da würde es sicher auch helfen, wenn sich Betriebe in den Schulen mehr vorstellen. Wenn ich an meine Zeit in der vierten Klasse Gymnasium denke, da ist überhaupt nie jemand zu uns gekommen.

Warum suchen Arbeitgebe­r quer durch alle Branchen so verzweifel­t Arbeitnehm­er?

Da spielen sicher auch die geburtensc­hwachen eine Rolle.

Jahrgänge

Der Arbeitsmar­kt ist auch ein Markt, der sich verändert. Vor vielen Jahren hat es geheißen: Ein Lehramtsst­udium brauchst gar nicht probieren, da kriegst eh nie einen Job. Jetzt stehen wir da und müssen Quereinste­iger reinbringe­n.

Blicken Sie, Frau Taferl, mit 67 Jahren kopfschütt­elnd auf diese Änderungen in der Arbeitswel­t?

In meiner Generation mussten wir nach der Schule ja sofort arbeiten gehen, da wurde gar nicht viel überlegt, dass wir vielleicht auch eine andere Möglichkei­t hätten. Dass sich das jetzt so ändert, finde ich grundsätzl­ich gut.

Sie sind bewusst in der Pension wieder in den Arbeitspro­zess eingestieg­en. Warum?

Weil ich eine Herausford­erung brauche, sonst wird es mir schnell langweilig. Außerdem entstehen so neue Begegnunge­n, neue Freundscha­ften. Und da ich zwei linke Hände habe, fällt auch das Stricken weg (lacht). Aber ich habe viele Bekannte, die auch gern arbeiten würden – aber dass die Geringfügi­gkeitsgren­ze

nur bei 518 Euro im Monat liegt und man darüber hinaus voll abgabenpfl­ichtig ist, schreckt viele ab.

Viele meinen, der Wohlstand trägt zur neuen „Arbeitsmor­al“bei. Wie erleben Sie das?

Meine Eltern haben mich immer voll unterstütz­t, auch finanziell. Und derweil wohne ich auch noch daheim. Aber Füße-hoch-Legen hat es nicht gespielt.

Das ist bei mir genauso. Meinen Eltern war es wichtig, dass ich ein Ziel habe.

Wenn man weiß, dass daheim ein gewisser Wohlstand vorhanden ist, dann kann man sich natürlich mehr entfalten, auch eine Auszeit leisten. Aber aus meiner Sicht geht das an der Realität der Mehrheit der Menschen in diesem Land vorbei. An jenen, die es sich eben nicht leisten können. Wir sind aus dem Kosovo gekommen und ich habe es mir damals auch nicht leisten können, also bin ich mit 15 arbeiten gegangen. Und in meinem Umfeld macht es den meisten wenig aus, wenn sie 40 Stunden und mehr arbeiten, sie wollen einfach nur Geld verdienen.

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