„Weniger arbeiten, gleich viel verdienen“
Die Kleine Zeitung lud vier Personen im Alter von 19, 31 und 67 Jahren zur Diskussion – über Work-Life-Balance, Wohlstand und Arbeitsmoral.
Wir haben von einem Friseur erfahren, der seit mehr als einem Jahr eine neue Arbeitskraft sucht. Es gab nicht einmal ein Bewerbungsgespräch, weil sich niemand auf seinen Aufruf hin meldete. Mit Verlaub, aber was ist mit der Jugend von heute los?
Wenn man auf diese Branche schaut, dann war die Bezahlung in den letzten Jahren wohl eher unterdurchschnittlich. Viele junge Menschen sehen aber, was auf dem Wohnungsmarkt passiert und wie schwer es ist, dass man später einmal eine ordentliche Pension bekommt.
Außerdem spielt es sicher eine Rolle, dass es Eltern generell forcieren, dass ihre Kinder die Schule fertig machen und später studieren gehen, also eher gegen eine Lehre eingestellt sind.
Das Beispiel dieses Friseurs steht aus Sicht vieler beispielhaft für den Umbruch in der Arbeitswelt.
Diese Diskussion wird ja schon seit einigen Jahren geführt. Der Blick der Jugend auf das Arbeiten hat sich im Vergleich zu deren Eltern bestimmt geändert. Und Jugendliche aus gutem Elternhaus können es sich heute halt eher leisten, abzuwarten und auch auszusuchen, was und wann sie arbeiten.
Ich bekomme es auch in meinem Umfeld mit, dass es tatsächlich für viele attraktiver ist, wenn man sagen kann: Mein Kind studiert. Dabei ist zum Beispiel die Lehre mit Matura eine tolle Idee.
Sollten dann nicht Jugendliche alles auf die „Karte“Lehre setzen? In fünf Jahren suchen wir womöglich händeringend einen Installateur oder Dachdecker.
Das ist die logische Schlussfolgerung. Und man darf ja auch nicht vergessen, dass ein Lehrling schon ab 16 sein Geld verdient.
Aber die Aussage, dass die Handwerker in der Zukunft die großen Verdiener sein werden, hat es schon in meiner Jugend gegeben. Und auf diese Zukunft warte ich immer noch.
Da würde es sicher auch helfen, wenn sich Betriebe in den Schulen mehr vorstellen. Wenn ich an meine Zeit in der vierten Klasse Gymnasium denke, da ist überhaupt nie jemand zu uns gekommen.
Warum suchen Arbeitgeber quer durch alle Branchen so verzweifelt Arbeitnehmer?
Da spielen sicher auch die geburtenschwachen eine Rolle.
Jahrgänge
Der Arbeitsmarkt ist auch ein Markt, der sich verändert. Vor vielen Jahren hat es geheißen: Ein Lehramtsstudium brauchst gar nicht probieren, da kriegst eh nie einen Job. Jetzt stehen wir da und müssen Quereinsteiger reinbringen.
Blicken Sie, Frau Taferl, mit 67 Jahren kopfschüttelnd auf diese Änderungen in der Arbeitswelt?
In meiner Generation mussten wir nach der Schule ja sofort arbeiten gehen, da wurde gar nicht viel überlegt, dass wir vielleicht auch eine andere Möglichkeit hätten. Dass sich das jetzt so ändert, finde ich grundsätzlich gut.
Sie sind bewusst in der Pension wieder in den Arbeitsprozess eingestiegen. Warum?
Weil ich eine Herausforderung brauche, sonst wird es mir schnell langweilig. Außerdem entstehen so neue Begegnungen, neue Freundschaften. Und da ich zwei linke Hände habe, fällt auch das Stricken weg (lacht). Aber ich habe viele Bekannte, die auch gern arbeiten würden – aber dass die Geringfügigkeitsgrenze
nur bei 518 Euro im Monat liegt und man darüber hinaus voll abgabenpflichtig ist, schreckt viele ab.
Viele meinen, der Wohlstand trägt zur neuen „Arbeitsmoral“bei. Wie erleben Sie das?
Meine Eltern haben mich immer voll unterstützt, auch finanziell. Und derweil wohne ich auch noch daheim. Aber Füße-hoch-Legen hat es nicht gespielt.
Das ist bei mir genauso. Meinen Eltern war es wichtig, dass ich ein Ziel habe.
Wenn man weiß, dass daheim ein gewisser Wohlstand vorhanden ist, dann kann man sich natürlich mehr entfalten, auch eine Auszeit leisten. Aber aus meiner Sicht geht das an der Realität der Mehrheit der Menschen in diesem Land vorbei. An jenen, die es sich eben nicht leisten können. Wir sind aus dem Kosovo gekommen und ich habe es mir damals auch nicht leisten können, also bin ich mit 15 arbeiten gegangen. Und in meinem Umfeld macht es den meisten wenig aus, wenn sie 40 Stunden und mehr arbeiten, sie wollen einfach nur Geld verdienen.