Lieferkettengesetze: Sind sie notwendig?
Juristen der Universität Graz beantworten strittige Rechtsfragen.
ie Industrie hat zahlreiche Einwände gegen das EU-Lieferkettengesetz. Sind Lieferkettengesetze notwendig?
DAktuell ringt die EU um die Beschlussfassung über eine bereits im Dezember 2023 mit allen Mitgliedsstaaten akkordierte Lieferkettensorgfaltspflichtenrichtlinie. Auf Betreiben deutscher FDPMinister und mit Zutun Österreichs soll das EUVorzeigeprojekt auf den letzten Metern gestoppt werden.
Dahinter steht massiver Druck aus Industriekreisen, die eine zusätzliche Belastung durch Sorgfaltspflichten im Sinne einer sozialen Verantwortung bei der Auswahl und Bewertung von Subunternehmen verhindern wollen. Die Richtlinie sollte durch Überprüfungspflichten eine bessere Einhaltung von Arbeitsstandards, etwa des Verbots von Zwangs- und Kinderarbeit sowie von Umweltschutzmaßnahmen bringen.
Seit vielen Jahren bestehen dazu Verhaltenskodizes, etwa die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011. Mangels Rechtsverpflichtung und Sanktionen werden sie oft ignoriert. Viele
NGOs, wie etwa Südwind in Österreich, haben sich des Themas angenommen.
In Europa haben bereits Frankreich und Deutschland entsprechende Gesetze verabschiedet. Das deutsche Gesetz ist seit einem Jahr in Kraft. Es sieht für Firmen ab 1000 Beschäftigten Berichtspflichten hinsichtlich der Praxis von Subunternehmen vor. Die Industrie fürchtet den mit der Transparenz bei den Produktionsstandards verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwand, daher der Versuch, die fertig ausverhandelte EU-Richtlinie noch politisch zu Fall zu bringen. Sollte dies gelingen, würden Menschenrechte und der Schutz der Umwelt einmal mehr Wirtschaftsinteressen geopfert werden.
Wolfgang Benedek ist Univ.Prof. im Ruhestand, Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen.
Frankreich und Deutschland haben Lieferkettengesetze