„Wir brauchen Klarheit und Verlässlichkeit“
Die Energiewende, ihr Finanzierungsbedarf und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen für Investoren standen im Fokus einer Kleine Zeitung„Business Stage“in Wien.
Einseitige Abhängigkeiten, steigende Kosten, ein wachsender Transformationsdruck Richtung Nachhaltigkeit und diverse Gesetzesvorhaben, die neue Rahmenbedingungen festschreiben sollen: Kaum ein Markt steht seit Monaten derart im Fokus wie der Energiemarkt. „Wir müssen neue Wege finden“, ist Martin Graf, Vorstandsdirektor der Energie Steiermark, überzeugt.
Die Energiewende im Blick Im Rahmen einer „Business Stage“, zu dem der steirische Landesenergieversorger zusammen mit der Wiener Börse und der Kleinen Zeitung kürzlich in Wien geladen hatte, spannte Graf den Bogen von gesetzlichen Vorgaben bis zu Finanzierungsinstrumenten für den notwendigen Infrastrukturausbau.
100 Prozent erneuerbar
Das von der Bundesregierung diesbezüglich ausgegebene Ziel ist ehrgeizig: Bis 2030 will man 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energieträgern beziehen und Österreich bis 2040 überhaupt klimaneutral machen. „Wenn wir uns im Sinne der Energiewende das Ziel setzen, Öl und Gas zurückzudrängen und eine resiliente, erneuerbare Energieversorgung für die Zukunft haben wollen, dann wird ein Investitionsvolumen bis zu 60 Milliarden Euro für den Ausbau der Netzinfrastruktur sowie Kapazitätsund Speichererweiterungen notwendig sein“, rechnet Graf vor. Allein die Energie Steiermark wird in den nächsten drei Jahren eine Milliarde Euro investieren –
„so viel wie noch nie zuvor“(Graf). Dafür brauche es jedoch dringend entsprechend adaptierte Rahmenbedingungen. Denn: „Mit den aktuellen Modellen und Mechanismen wird das nicht weitergehen“, so Graf in Anspielung auf die Generalfrage des Abends: „Energy
Transition and Capital Markets: Alle sagen ,Ja‘ zur Energiewende – aber wie finanzieren wir sie?“
Aufholbedarf
Der suchende Blick fällt diesbezüglich immer wieder auf den Kapitalmarkt. Diesbezüglich habe Österreich Aufholbedarf, verwies Christoph Boschan, Vorstandsvorsitzender der Wiener Börse, auf hierzulande 816 Milliarden Finanzvermögen, davon über 320 Milliarden niedrig oder gar nicht verzinstes Geld. Im Gegensatz dazu würden Länder mit besser entwickelten Kapitalmärkten davon nachhaltig profitieren: „Sie wachsen schneller, haben höhere Wachstumsraten, transformieren schneller und nachhaltiger und erholen sich auch von Krisen schneller.“
Deutliche Worte fand er in der von Kleine-Zeitung-Wirtschaftsressortleiter Manfred Neuper moderierten Diskussion zu der stattdessen in Österreich von der Politik vorgenommenen Gewinnabschöpfung bei Energieunternehmen. „Diese Adhoc-Interventionen vor allem steuerlicher Art sind absolut katastrophal für den Kapitalmarkt“, warnte er vor einer Schwächung des Standorts: „Geld ist ein flüchtiges und mobiles Tierchen.“
100.000 Arbeitsplätze Auch für Martin Graf ist das Schaffen eines investorenfreundlichen Klimas eine unverrückbare Notwendigkeit zur Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit. „Es braucht Verlässlichkeit und Klarheit, damit Banken, Kapitalmarkt,
Anleihezeichner auch entsprechendes Kapital zur Verfügung stellen.“Graf betonte zudem den volkswirtschaftlichen Nutzen: „Ein Euro, der in die Netze investiert wird, bedeutet einen zweiten Euro für die Gesamtwirtschaft“, vergleicht er das Ausbauprogramm der Energiewirtschaft
mit einem Konjunkturpaket für die nächsten zehn Jahre. Schon jetzt sichere die Energiewirtschaft direkt und indirekt mehr als 100.000 Jobs. „Wir müssen im Spannungsfeld zwischen Politik und Regulatorien im Energie- und Kapitalmarkt Einklang schaffen.“
Länder mit entwickelten Kapitalmärkten wachsen schneller, haben höhere Wachstumsraten und transformieren schneller und nachhaltiger.“Christoph Boschan, Vorstandsvorsitzender Wiener Börse
„Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, brauchen wir für den Infrastrukturausbau klare und verlässliche Rahmenbedingungen für Investoren.“Martin Graf, Vorstandsdirektor Energie Steiermark LEX KARELLY