Ein Messer und ein dummer Ehrbegriff
Der Wunsch nach Revanche war Auslöser einer Messerattacke. Jugendlicher (17) in Graz wegen versuchten Mordes verurteilt.
”
Ich wollte mich beim Opfer entschuldigen. Ich hatte so eine gute Vergangenheit ...
Der Angeklagte bedauert auch sich selbst “
Einer nach dem anderen marschierten die Freunde des Opfers gestern im Grazer Schwurgerichtssaal zur Aussage auf. Sie alle schildern, dass der Angeklagte (17) und ihr Freund (16) in Feldbach in Streit gerieten. Manchmal ist es schwierig, zu folgen: Er hat ihm ins Gesicht gespuckt. Er hat dann geschlagen. Er hat zurückgeschlagen. Sie haben gekämpft. Unentschieden. Er hat gesagt: „Du wirst schon noch sehen, was du davon hast.“
Diese Ankündigung war jedenfalls vom Angeklagten, der einige Wochen später dem Opfer bei einer Aussprache mit einem Messer in den Bauch stach. Ihr Freund rief sie an, bevor er zusammenbrach: Der Angeklagte habe ihn „abgestochen“. Manchmal blitzt bei all der lakonischen Coolness der Schock durch: „Er lag am Boden. Er war voll Blut. Ich hab seinen Darm wieder hineingegeben und die Wunde gehalten.“– „Er hat gesagt: Sag meiner Mutter, dass ich sie liebe, weil ich sterbe jetzt.“Zum Glück konnte das Opfer gerettet werden.
Der Angeklagte, sagt einer der Zeugen, sei „ein richtiger Junkie.
Er konsumiert alles, was er kriegen kann. Er wird richtig krank davon im Kopf.“Dagegen sagt ein Polizist, der am Tatort war: „Da waren viele bekannte Gesichter.“Das Opfer und der Täter waren den Polizisten aber nicht bekannt. Die meisten anderen seien schon wegen Drogen oder Gewalt aufgefallen, nie aber mit Messern. „Wir stechen nicht“, versichert ein Jugendlicher. – „Das kann man jetzt glauben“, sagt die beisitzende Richterin, „muss man aber nicht“.
Auf die Frage nach dem Täter schwiegen die Jugendlichen zunächst gegenüber der Polizei. „Wir wollten das selber regeln.“Wie? „Wir wollten mit ihm reden.“Zuerst zogen sie zum Wohnhaus des Angeklagten, dann riefen sie doch die Polizei: „Wir wollten das selber klären.
Aber ich fand das selber unrealistisch. Weil es dumm ist“, sagt ein junger Mann. Der Angeklagte beschrieb Drohungen gegen ihn und seine Familie.
Voll des Lobes für den Angeklagten ist der Bewährungshelfer, der ihn betreute, als er vor dem Prozess aus der U-Haft entlassen war. Er sei verlässlich, ein „junger Mann, der sich stabilisiert“habe, einen Beruf habe und als Lehrlingsvertreter engagiert sei. Diese Eskalation der Gewalt kann er sich nur mit einem „mobbinghaften Verhalten in der Gruppe, verbunden mit einem fast schon dümmlichen Ehrbegriff“erklären.
Die Staatsanwältin appellierte noch einmal an die Geschworenen, den Angeklagten wegen versuchten Mordes schuldig zu sprechen. „Seine Behauptung, er habe sich nicht anders als mit einem Messer wehren können, ist eine Schutzbehauptung.“Der Verteidiger widerspricht vehement: „Er wollte ihn schwer am Körper verletzen, da müssen wir nicht herumreden. Mordvorsatz hat es aber keinen gegeben.
So sehen das die Geschworenen nicht. Schuldig des versuchten Mordes (mit 7:1 Stimmen): acht Jahre Haft, noch nicht rechtskräftig.