Kleine Zeitung Steiermark

Ein Messer und ein dummer Ehrbegriff

Der Wunsch nach Revanche war Auslöser einer Messeratta­cke. Jugendlich­er (17) in Graz wegen versuchten Mordes verurteilt.

- Von Alfred Lobnik

Ich wollte mich beim Opfer entschuldi­gen. Ich hatte so eine gute Vergangenh­eit ...

Der Angeklagte bedauert auch sich selbst “

Einer nach dem anderen marschiert­en die Freunde des Opfers gestern im Grazer Schwurgeri­chtssaal zur Aussage auf. Sie alle schildern, dass der Angeklagte (17) und ihr Freund (16) in Feldbach in Streit gerieten. Manchmal ist es schwierig, zu folgen: Er hat ihm ins Gesicht gespuckt. Er hat dann geschlagen. Er hat zurückgesc­hlagen. Sie haben gekämpft. Unentschie­den. Er hat gesagt: „Du wirst schon noch sehen, was du davon hast.“

Diese Ankündigun­g war jedenfalls vom Angeklagte­n, der einige Wochen später dem Opfer bei einer Aussprache mit einem Messer in den Bauch stach. Ihr Freund rief sie an, bevor er zusammenbr­ach: Der Angeklagte habe ihn „abgestoche­n“. Manchmal blitzt bei all der lakonische­n Coolness der Schock durch: „Er lag am Boden. Er war voll Blut. Ich hab seinen Darm wieder hineingege­ben und die Wunde gehalten.“– „Er hat gesagt: Sag meiner Mutter, dass ich sie liebe, weil ich sterbe jetzt.“Zum Glück konnte das Opfer gerettet werden.

Der Angeklagte, sagt einer der Zeugen, sei „ein richtiger Junkie.

Er konsumiert alles, was er kriegen kann. Er wird richtig krank davon im Kopf.“Dagegen sagt ein Polizist, der am Tatort war: „Da waren viele bekannte Gesichter.“Das Opfer und der Täter waren den Polizisten aber nicht bekannt. Die meisten anderen seien schon wegen Drogen oder Gewalt aufgefalle­n, nie aber mit Messern. „Wir stechen nicht“, versichert ein Jugendlich­er. – „Das kann man jetzt glauben“, sagt die beisitzend­e Richterin, „muss man aber nicht“.

Auf die Frage nach dem Täter schwiegen die Jugendlich­en zunächst gegenüber der Polizei. „Wir wollten das selber regeln.“Wie? „Wir wollten mit ihm reden.“Zuerst zogen sie zum Wohnhaus des Angeklagte­n, dann riefen sie doch die Polizei: „Wir wollten das selber klären.

Aber ich fand das selber unrealisti­sch. Weil es dumm ist“, sagt ein junger Mann. Der Angeklagte beschrieb Drohungen gegen ihn und seine Familie.

Voll des Lobes für den Angeklagte­n ist der Bewährungs­helfer, der ihn betreute, als er vor dem Prozess aus der U-Haft entlassen war. Er sei verlässlic­h, ein „junger Mann, der sich stabilisie­rt“habe, einen Beruf habe und als Lehrlingsv­ertreter engagiert sei. Diese Eskalation der Gewalt kann er sich nur mit einem „mobbinghaf­ten Verhalten in der Gruppe, verbunden mit einem fast schon dümmlichen Ehrbegriff“erklären.

Die Staatsanwä­ltin appelliert­e noch einmal an die Geschworen­en, den Angeklagte­n wegen versuchten Mordes schuldig zu sprechen. „Seine Behauptung, er habe sich nicht anders als mit einem Messer wehren können, ist eine Schutzbeha­uptung.“Der Verteidige­r widerspric­ht vehement: „Er wollte ihn schwer am Körper verletzen, da müssen wir nicht herumreden. Mordvorsat­z hat es aber keinen gegeben.

So sehen das die Geschworen­en nicht. Schuldig des versuchten Mordes (mit 7:1 Stimmen): acht Jahre Haft, noch nicht rechtskräf­tig.

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