„Es braucht Mut und Durchhaltevermögen“
Start-ups über Chancen und Stolpersteine in der Gründungsphase, Vernetzung als Erfolgsrezept und die Suche nach Investoren.
Herr Stockinger, Ihr Unternehmen Easelink bietet eine neuartige Variante zum Aufladen von Elektroautos. Die Geschäftsidee entstand, während Sie bei BMW in München gearbeitet haben. Warum sind Sie für die Unternehmensgründung nach Graz zurückgekehrt? HERMANN STOCKINGER: Ich habe bewusst Graz und die Steiermark gewählt, weil hier ein starkes Ökosystem für Gründer existiert: von hochbegabten Talenten aus dem universitären Kontext über Inkubatoren wie dem Science Park bis zu einem dichten Netzwerk aus anderen Start-ups, arrivierten Unternehmen und Institutionen.
Wie kann man das nutzen?
INES WÖCKL: Die Netzwerkprogramme für die Start-up-Szene ermöglichen den Austausch mit anderen Gründern, die vielleicht schon ein, zwei Schritte weiter sind. Einen Ort zu haben, wo man auf andere mit ähnlichen Problemen trifft, war für uns am Anfang extrem wichtig. DOMINIQUE WADDOUP: Man bekommt ein Gespür dafür, was es für Möglichkeiten gibt – vom Marketing über Förderungen bis zu Investorensuche und Produktentwicklung – und worauf man beispielsweise beim Businessplan achten muss.
Wie schwer ist die erste Phase? DOMINIQUE WADDOUP: Vor allem allein ist es schwer. Wenn man sich regelmäßig austauscht, ist man viel schneller. Aber der Start hat es schon in sich gehabt. Wenn man erste Erfolge herzeigen kann, sieht es dann schon anders aus.
Welche Form der Unterstützung bietet da der Science Park Graz? MARTIN MÖSSLER: Sie reicht von Raumangebot über Vernetzung bis zur Beratung durch ein Team von eigenen Beratern und in enger Kooperation mit dem GründerCenter der Steiermärkischen Sparkasse. Wir unterstützen Gründerinnen und Gründer bei der Realisierung ihrer Träume, Ziele und Visionen.
Wie viel psychologische Unterstützung ist da abseits der betriebswirtschaftlichen Beratung notwendig?
MARTIN MÖSSLER: Wir konzentrieren uns selbstverständlich auf den geschäftlichen Erfolg. Aber natürlich kann man die psychologische Komponente nicht ausblenden. Eine Gründungsphase ist ja ein unheimlich mutiger Schritt. Wesentlich ist es dabei für uns, die richtigen Firmen zusammenzubringen, damit ein sich selbst befruchtendes, kreatives Klima entsteht. So wird auch die psychodynamische Herausforderung reduziert, weil alle in einer ähnlichen kritischen Phase im Entwicklungsprogramm sind und sich gegenseitig unterstützen. Diese Vernetzung zu ermöglichen, im eigenen Tun möglichst schnell Erfolge zu erkennen und die Vermeidung von Sorgen über den normalen Gründungsalltag hinaus, ist unser Ziel.
Wie viel Mut braucht es, sich selbstständig zu machen? DOMINIQUE WADDOUP: Um von der reinen Idee zu einem funktionierenden Produkt zu kommen, sind Durchhaltevermögen, der Glaube ans Produkt und durchaus viel Mut notwendig.
Es wurden schon die Förderangebote angesprochen. Wie wichtig sind sie?
INES WÖCKL: Für uns waren sie vor allem für die Prototypenentwicklung wichtig, die dadurch möglich gemacht wurde.
Aber macht ein zu gemütliches Förderbett nicht träge?
INES WÖCKL: Man muss schon aufpassen, dass man den Unternehmensfokus nicht verliert. Im Rückblick hätte ich gerne früher daran gedacht, Unternehmensanteile abzugeben, um Expertise an Bord zu holen. Da haben wir uns sehr lange gescheut, weil auch das entsprechende Förderumfeld da war. Aber so gut die Förderlandschaft ist, desto schwieriger ist es, Risikokapital von Investoren zu finden.
HERMANN STOCKINGER: In der Frühphase bietet die Steiermark tatsächlich ein tolles Umfeld, in dem man ein Unternehmen gut aufbauen kann. Wir haben hier Zugang zu spezifischen Talenten, zu einer Bank als verlässlichen Partner und Beratungsinstitutionen wie
dem Science Park. Womit man in der Steiermark allerdings an Grenzen stößt, ist Risikokapital, das beispielsweise für die Finanzierung von Unternehmenswachstum benötigt wird. Ab einem gewissen Entwicklungsgrad sind viele Unternehmen daher gezwungen, Risikokapital international aufzunehmen. Bei Easelink kommt ein Großteil des Risikokapitals aus den Niederlanden und aus Deutschland.
INES WÖCKL: Auch wir haben unsere Investoren in Deutschland gefunden. Mit einem physischen Konsumgut wie unserem hätten wir anderswo deutlich höhere Chancen gehabt, an Geldgeber zu kommen.
MARTIN MÖSSLER: Die Steiermark ist bei der Anzahl der Gründungen die Nummer zwei unter den Bundesländern nach Wien und die Nummer Eins bei Gründungszufriedenheit. Inkubation rechnet sich langfristig über die Steuern und Abgaben, die die Firmen leisten.
Sofern sie bleiben.
MARTIN MÖSSLER: Richtig. Deshalb
haben wir nicht den Anspruch, Unicorns zu entwickeln, die statistisch eher ins Auslands abwandern. Nicht dass ich mich gegen ein milliardenschweres Unicorn wehren würde, aber ich habe lieber hundert KMU, die prosperieren. Das ist emotional und, auch was den Return of Investment in der Region angeht, schlauer.
HERMANN STOCKINGER: Unsere derzeit 50 Arbeitsplätze sind international finanziert. Wir zahlen aber hier Steuern.
INFO: Die Steiermärkische Sparkasse ist das älteste und mit einer Bilanzsumme von zuletzt 20,7 Milliarden Euro auch das größte Kreditinstitut der Steiermark. Knapp 3000 Mitarbeiter:innen arbeiten an 230 Standorten. Über das GründerCenter bietet man ein spezielles Service für Gründer.