Kleine Zeitung Steiermark

Nachhaltig wohnen an der Mur

Bauherrin Birgit Jandl will mit dem Haus Lendkai 25 in Graz zeigen, dass nachhaltig­es Bauen möglich ist. Marion Wicher hat ihr Musterhaus geplant.

- Von Thomas Götz

Es klingt wie am Meer“, sagt Birgit Jandl auf der Dachterras­se ihres neuen Hauses. Was rauscht, ist die Mur tief unten. Gegenüber ragt der Schlossber­g aus der Stadt, hinter uns die Kirchtürme von Mariahilf. Noch fehlt das Dach aus transparen­ten Solarpanee­len über der großen Fläche. Die Aussicht aber ist schon da – und atemberaub­end.

„Lendmark“nennt Birgit Jandl das Haus, das Margit Wicher entworfen hat. Es sticht aus der Kai-Bebauung aus dem 19. Jahrhunder­t markant heraus, nimmt aber bewusst deren Linienführ­ung auf. So endet die Verkleidun­g der Fassade aus Cortenstah­l, hinter der sich die unterste Wohnung und die Garage verbergen, wo am Nachbarhau­s ein Sims das Hochparter­re begrenzt. Schmale Balkons öffnen sich auf drei Etagen über dem Eingang zur Mur. Darüber springt der Baukörper vor. Die rostbraune Veranda vergrößert die oberste Einheit, die sich Wicher selbst gesichert hat, und das Skyloft. „Das Sahnehäubc­hen“nennt Jandl den Abschluss ihres Hauses, dessen Nutzung allen Mietern nach Reservieru­ng zusteht.

Am Nachbargru­nd lehnt sich derzeit noch ein kleines, sehr verfallene­s Häuschen an die Feuermauer des siebenstöc­kigen Gebäudes. Gebaut auf MurSchwemm­sand ließ sich auch der ähnlich niedrige Vorgängerb­au des Hauses Lendkai 25 nicht retten. 17 Betonpfähl­e mussten 20 Meter tief in die Erde getrieben werden, um die Stabilität des neuen Gebäudes zu garantiere­n. Außerdem stecken fünf Energiepfä­hle 110 Meter tief im Grund. Pumpen transporti­eren im Winter Wärme ins Haus, im Sommer sinkt kühle Luft von den Decken der fünf Wohn- oder Büroeinhei­ten.

Die Unentschie­denheit der Zweckwidmu­ng ist Absicht. Alle fünf Einheiten können als Büro oder als Wohnung genutzt werden. Der einzige Unterschie­d liegt in der Positionie­rung der Küche. Das Büro bietet eine kleine Kochnische im Gang. Der Wasseransc­hluss lässt sich aber auch vom großen Wohnraum her installier­en, sollte die Etage als Wohnung genutzt werden. Kabel im Boden markieren den Platz für die frei stehenden Küche. Alle übrigen Anschlüsse verbergen die hölzernen Fenstersim­se an beiden Seiten des Großraums.

Die flexible Nutzbarkei­t der Lofts dient – wie so vieles in dem Haus – der Nachhaltig­keit, die der Bauherrin wie der Architekti­n besonders wichtig ist. Um dem Ziel der Klimaneutr­alität näherzukom­men, werden in der Garage zwei E-Autos von „rail & drive“stehen, die Mieter wie externe Interessie­rte bestellen können. Für Fahrräder bietet der Hof geschützte­n Platz. Alle Schlösser, auch die zum Postkastl, sind vom Handy aus zu steuern, das spart Schlüssel. Die Photovolta­ik-Paneele auf dem Dach und über der Pergola sollten das Haus autark versorgen können, hofft Jandl – vorausgese­tzt, es scheint die Sonne.

Marion Wicher hält sich an die Maxime, Materialie­n so zu verwenden, wie sie sind: „Stahl als Stahl, Stein als Stein.“So bleibt der Beton unverkleid­et, der stählerne Handlauf im Stiegenhau­s zeigt Spuren der Bearbeitun­g. „Industrie Chic“nennt Jandl das. Einzig der Traum, die große Fläche der Pergola und die Balkons mit Stainzer Platten zu belegen, ließ sich nicht verwirklic­hen: Der Preis sprach zu deutlich für Fliesen.

Die Räume sind 2,60 Meter hoch, wirken aber wegen der riesigen Fensterfro­nt höher. Die Fenster aus wiederverw­ertetem und wiederverw­ertbarem Aluminium öffnen den Blick auf die Altstadt zu beiden Seiten, in jedem Stockwerk aus anderer Perspektiv­e. Wird es allzu stickig im Raum, schlägt das Handy eine Lüftung vor. Feuerwehrs­chläuche sind in jedem Stock vorhanden, sollten Löscharbei­ten nötig werden. Den Hall müssen Möbel und eventuell Teppiche

dämpfen. Das möblierte Atelier von Margit Wicher zeigt, wie es geht.

„Mein Wunsch an die Mieterinne­n und Mieter: Tragt die Idee der Nachhaltig­keit mit“, sagt Birgit Jandl, die Investorin. Ihre Mietverträ­ge werden daran erinnern, aber nicht dazu verpflicht­en. Aber das wird wohl nicht nötig sein.

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 ?? ?? Das Haus Lendkai 25 vom Schlossber­g aus gesehen. Von der Dachterras­se und durchs Fenster sieht man auf die Türme von Mariahilf
Das Haus Lendkai 25 vom Schlossber­g aus gesehen. Von der Dachterras­se und durchs Fenster sieht man auf die Türme von Mariahilf
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 ?? THOMAS GÖTZ (6), CHRISTIAN JUNGWIRTH (2), KK ?? Oben und ganz unten: Das Atelier von Marion Wicher. Unten: der Eingang.
THOMAS GÖTZ (6), CHRISTIAN JUNGWIRTH (2), KK Oben und ganz unten: Das Atelier von Marion Wicher. Unten: der Eingang.
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