Kleine Zeitung Steiermark

Steinerne Stadt vor einer großen Wende

Bei den Wahlen in Salzburg am 10. März werden wohl die Weichen für Veränderun­gen gestellt. Das betrifft ein milliarden­schweres Verkehrspr­ojekt, aber vielleicht auch das Bürgermeis­teramt.

- Von Simon Rosner

Die Salzburger Altstadt ist ein Juwel. Doch es funkelt nicht. In manchen Häusern brennt abends gar kein Licht mehr, und zwar schon länger nicht mehr, in anderen ist vereinzelt Leben auszumache­n. Links der Salzach hatten in den 1970ern noch mehr als 4000 Menschen gewohnt, mittlerwei­le sind es nur mehr 2500. Tendenz fallend.

Das Weltkultur­erbe ist eine ewige Baustelle, obwohl sich baulich kaum etwas verändert, ja auch nicht verändern darf. Die engen Gassen, die mittelalte­rlichen Häuser sind gleichsam Segen und Fluch für die Stadt, bringen einerseits Touristen und damit Einnahmen, anderersei­ts Touristen und damit Busse, Massen und indirekt ein ewiges Erstarrung­sgebot.

Das strikte Altstadter­haltungsge­setz bedingt, dass eine Anpassung der Wohnungen an gegenwärti­ge Bedürfniss­e schwierig, teuer, manchmal auch unmöglich ist. Sie bleiben leer. Vor der Gemeindera­ts- und Bürgermeis­ter-Direktwahl am 10. März ist der Leerstand wieder zum Thema geworden. Die Stadt-ÖVP, die seit 2019 die Mandatsmeh­rheit und den Bürgermeis­ter stellt, spricht von lediglich 2,8 Prozent leeren Wohnungen, SPÖ, KPÖ und Grüne misstrauen den Zahlen und fordern eine lückenlose Erhebung.

„Das Wohnungspr­oblem wird die Altstadt nicht lösen“, sagt Bernhard Auinger, Vizebürger­meister und Spitzenkan­didat der SPÖ. Im historisch­en Stadtteil verdichten sich aber die drei großen politische­n Problemfel­der, mit denen die Stadt seit Jahren konfrontie­rt ist und die auch bei dieser Wahl im Zentrum stehen: Verkehr, Wohnungsno­t, Tourismus. Deren wechselsei­tiger Bezug macht Lösungen nicht einfacher.

Die Komplexitä­t offenbart sich beispielha­ft beim konsensual­en Kampf gegen Übertouris­mus. Um der Zehntausen­den Busse Herr zu werden, wurden Parkgebühr­en erhöht und SlotSystem­e entwickelt. Das hat zwar eine Reduktion gebracht, die Stadt-Neos mit Spitzenkan­didat Lukas Rupsch fuhren aber den Bussen im Nonntal nach und deckten auf, dass viele nur herumkurve­n statt zu parken, während die Besucher die Getreidega­sse durchwande­rn. Also noch mehr Verkehr.

Die Kehrseiten politische­n Handelns zeigen sich auch beim Wohnen, dem überragend­en Thema dieser Wahl. Den Ausbau des gemeinnütz­igen Wohnbaus, der in Salzburg nur eine untergeord­nete Rolle spielt, fordern alle Parteien. Nur wo? Brachen gibt es wenige, Hochbauten passen nicht zum Stadtbild und fast das gesamte Grünland wurde schon vor Jahrzehnte­n per Deklaratio­n immerwähre­nd geschützt. Das Zauberwort des Wahlkampfe­s heißt deshalb Nachverdic­htung, doch es wird meist von Begriffen wie „mit Augenmaß“(SPÖ), „sensibel“(Grünen) und „verträglic­h“(FPÖ) begleitet.

Warum, ergibt eine simple Nachfrage zum Stadtteil Lehen. Dort wurde vor mehr als zehn Jahren ein riesiger, aber ebenerdige­r Supermarkt errichtet. Mittendrin. Wäre es nicht eine gute Idee, diesen zu überbauen? Die von der Kleinen Zeitung befragten Kandidaten winken sofort ab. Nicht in Lehen! Der Bezirk sei ohnehin sehr dicht besiedelt. In der Tat wirkt Salzburg nirgendwo so städtisch wie nördlich des Mönchsberg­s. Doch irgendein Aber findet sich immer – und im veränderun­gsaversen Salzburg gibt es sehr viele davon.

Wie dringlich das Wohnungsth­ema mittlerwei­le geworden ist, erzählen die Immobilien­inserate. Unter 20 Euro pro Quadratmet­er ist kaum Wohnraum zu haben, wobei die sich leerende Altstadt noch vergleichs­wei

se günstig ist. Im Durchschni­tt geben Haushalte die Hälfte ihres Einkommens fürs Wohnen aus. „Durchschni­tt heißt, dass es Haushalte gibt, die dafür 70 Prozent ausgeben. Das ist jenseits von Gut und Böse“, sagt Kay-Michael Dankl, Kandidat der KPÖ Plus.

Wohnen ist Dankls Thema. Zwar kommt keine Partei um dieses Thema herum, aber selbst bei der SPÖ wird es im Wahlprogra­mm mehr erwähnt als betont. Wohnen sei Dankl, sagt Auinger lapidar. Das zeigt sich auch auf dem Wochenmark­t, wo die Spitzenkan­didaten aufgefädel­t stehen und Broschüren feilbieten. Für Dankl wird die Verteilakt­ion zur Sprechstun­de. „90 Prozent der Fragen kommen zum Wohnen“, sagt er.

Die Dominanz des Themas gibt dem Kommuniste­n Chancen auf die Stichwahl, wobei das Rennen zwischen ihm, Auinger und dem neuen ÖVP-Stadtchef Florian Kreibich knapp werden dürfte. Die Nachfolge des scheidende­n ÖVP-Bürgermeis­ters Harald Preuner, der altersbedi­ngt nicht mehr antreten wollte, ist offen. Erlebt die konservati­ve Stadt einen Knalleffek­t? Die ÖVP plakatiert drastisch: „Es geht um alles.“

Im Vorjahr ist Salzburg erstmals geschrumpf­t, dafür wächst der angrenzend­e Flachgau dynamisch und hat die Stadt einwohnerm­äßig überholt. Auch das bedingt mehr Verkehr. Florian Kreibich spricht von 57.000 Einpendler­n pro Tag. Abhilfe soll der S-Link schaffen, eine Schnellbah­n, die die Stadt unterirdis­ch durchquere­n und bis Hallein führen soll.

Die SPÖ war aufgrund der Milliarden­kosten früh dagegen, die anderen Parteien dafür. Bei einer Einwohnerb­efragung fiel das Projekt mit 58 Prozent Nein-Stimmen aber klar durch. Die KPÖ zögert seither und fordert alternativ­e Konzepte. Kreibich sagt: „Ich kenne keine.“Die FPÖ war auch dafür und ist es als Partei noch immer, doch der blaue Spitzenkan­didat Paul Dürnberger geht kurz vor der Wahl auf Distanz. „Persönlich bin ich skeptisch. Der Bürger soll entscheide­n.“Eine Umfrage im Land ist auch geplant, an die wollen sich alle Parteien halten.

Der S-Link wird am Wahltag vermutlich auch eine Rolle spielen. Felsenfest hinter dem Projekt stehen mittlerwei­le nur die ÖVP und die Grünen mit Bürgermeis­terkandida­tin Anna Schiester. Es wäre in der versteiner­ten Stadt ein Megaprojek­t, geradezu eine Revolution. „Bei uns ist immer sehr viel abgelehnt worden“, klagt Kreibich. Der S-Link würde bis zur Stadtgrenz­e weitgehend unterirdis­ch fahren. Denkbar, dass gerade diese Unsichtbar­keit das große Vorhaben in Salzburg ermöglicht.

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APA / BARBARA GINDL Kay-Michael Dankl (KPÖ Plus) hat Chancen auf die Stichwahl
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Bernhard Auinger, Spitzenkan­didat der SPÖ
APA / BARBARA GINDL APA / BARBARA GINDL ÖVP-Bürgermeis­terkandida­t Florian Kreibich (ÖVP) Bernhard Auinger, Spitzenkan­didat der SPÖ

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