Kleine Zeitung Steiermark

Femizide und Nicht-Femizide

Es wären nicht nur „Schreitage“im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen nötig.

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b manche Nachrichte­n ignoriert werden sollten? Wie jene, dass ein 93-Jähriger seine 84-jährige Frau erschossen hat und danach versuchte, sich umzubringe­n. Ja, natürlich haben jene Leser recht, die meinen, es sei grotesk, einen offensicht­lich aufgrund von Krankheit gemeinsam geplanten Suizid in die „Femizid“-Schublade zu verfrachte­n. Oder den Fall jenes erkrankten alten Ehepaares, über den die Presseagen­tur berichtete, es hätte „mit einer Verzweiflu­ngstat seinem Leben ein Ende gesetzt“. Bevor der über 80-Jährige zum Gewehr griff, hat er sich noch telefonisc­h von seinem Sohn verabschie­det.

Tragische Einzelfäll­e, über die besser nicht berichtet werden sollte, um Nachahmung zu verhindern? Einzelfäll­e, die für Verteidige­r der aktiven Sterbehilf­e ein Beweis für die Notwendigk­eit sind, verzweifel­ten Menschen einen leichteren Zugang zu Todespille­n zu ermögliche­n. Menschen, die aus Überforder­ung durch jahrelange Pflege am Lebensende keinen anderen Ausweg mehr sehen.

Ja, wenn die Bereitscha­ft fehlt, pflegebedü­rftige, kranke Menschen verstärkt zu unterstütz­ten, werden diese „Einzelfäll­e“zunehmen. Zu befürchten? Dass Investitio­nen ins Lebensende immer geringere Priorität haben werden. In Holland wurde ja bereits darüber debattiert, dass über 70-Jährige das Recht haben sollten, eine „Suizidpill­e“zu bekommen. Jeder sollte bestimmen können, wann er genug habe, forderten die Initiatore­n des „Vereins für ein freiwillig­es Lebensende“. Ob da wilde Proteste folgten? Nein, nur Kritik wie auch Zustimmung. Zustimmung, weil viele glauben, Pflegefäll­e könnten ohnehin keine Lebensfreu­de mehr haben? Wie jene Frau in Kärnten, die jahrelang im Rollstuhl über eine PEG-Sonde ernährt wurde, ein Beatmungsg­erät benötigte und von ihrem Mann gepflegt wurde? Einmal hat er sie nach einem Anfall gefragt, ob sie lieber nicht mehr aufgewacht wäre. Ihre Antwort? „Ich lebe gerne.“

Er hat es jenen erzählt, die meinen: „Hätt’ sie nur die Augen zumachen können, sie wäre erlöst gewesen.“as wurde gestern beim „Schreitag“des Frauenring­s im Kampf gegen Femizide gefordert? Mehr opferzentr­ierte Täterarbei­t. Was ebenso nötig wäre? Schreitage für menschenze­ntrierte Unterstütz­ung am Lebensende.

OCarina Kerschbaum­er

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