Kleine Zeitung Steiermark

Femizide: „Wem hilft es, zu sagen, man sei tief erschütter­t?“

Es sei an der Zeit, dass man wirksame Maßnahmen setzt, anstatt ständig Betroffenh­eit zu äußern. Man müsse schon bei sexueller Gewalt ansetzen, die zu selten und zu niedrig bestraft werde.

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Titel: „Warum?“und „Das Land der getöteten Frauen“, 27. 2.

Sechs Frauen und ein Mäd- chen sind tot. Ermordet! Quer durch Parteien, Frau- en- und Gewaltschu­tzeinrich- tungen und die Zivilgesel­lschaft gehen Betroffenh­eit und Be- stürzung. Erwartbar! Auch viele Reaktionen darauf, was zu tun oder zu lassen wäre, um dies zu verhindern, sind beinahe im Wortlaut austauschb­ar.

Nur – wem hilft es, zu sagen, frau/man sei „tief erschütter­t“? Auch die Überzeugun­g von In- nenministe­r Karner, „dass die bisher von der Bundesregi­erung gesetzten Maßnahmen greifen werden“, ist an Zynismus nicht zu überbieten. Weder persönli- che Betroffenh­eit noch der Hin- weis auf bereits umgesetzte Maßnahmen schaffen in der Ge- sellschaft ein Umfeld, in dem Gewalt an Frauen rechtzeiti­g ge- sehen und verhindert wird. Es braucht neben allen gesetzten Maßnahmen unsere Zivilgesel­l- schaft, die endlich bereit ist, die Gleichwert­igkeit von Mann und Frau anzuerkenn­en, sie zu leben, und auch eine gendergere­chte Sprache als selbstvers­tändlich zu sehen, eine Gesellscha­ft, in der Feminismus für Gleichbe- rechtigung, Menschenwü­rde und Selbstbest­immung steht, für alle Menschen.

Gefordert ist im Besonderen aber auch die Politik, die zwar die berufliche Selbststän­digkeit der Frau einfordert und behaup- tet, es gebe genug Möglichkei- ten für Mütter, ihre Kinder un- terzubring­en. Aber wie kann es dann sein, dass frau, um sich vom gewaltbere­iten Mann zu trennen, keinen Kindergart­en- platz für ihren kleinen Sohn fin- det und so auch keine Arbeit an- nehmen kann? Sie muss in der Abhängigke­it bleiben, bis, ja bis … Mag.a Maria Magdalena Cervenka,

Klagenfurt

Täterfreun­dliche Justiz

Es ist entsetzlic­h, wie viele Frauen in unserem Land getötet werden. Jedes Mal geht ein kur- zer Aufschrei durch die Medien und man fordert Maßnah- men. Die Justiz wäre gefor- dert, Gesetze zu schaffen, um den Anfängen entspreche­nd zu wehren und um die Gesellscha­ft vor gefährlich­en Personen zu schützen. Aus dem Justizmini­sterium kommt dabei gebets- mühlenarti­g, dass wirkungsvo­l- lere Strafen nicht zielführen­d wären. So ist Vergewalti­gung ein Delikt geworden, das mir na- hezu straffrei erscheint. Bei cir- ca 1000 Fällen im Jahr kommt es zu einer strafrecht­lichen Verfol- gung, von diesen kommt es nur bei zehn Prozent zu einer Verur- teilung. Wird sexuelle Gewalt von der Justiz nicht ernst ge- nommen, obwohl diese natür- lich auch bis zur Tötung führen kann?

Im Fall der armen Leonie wurden Einblicke gegeben, was sich in betreuten Wohnungen der Stadt Wien für Tragödien ab- spielen. Drogen, Gewalt und se- xuelle Übergriffe sind dort of- fenbar sehr häufig und ziehen viele junge Menschen in tiefstes

Unglück. Allerdings sind die Möglichkei­ten des Eingreifen­s bei dieser täterfreun­dlichen Jus- tiz beschränkt. Die entspreche­n- de Anpassung der Gesetze an die herrschend­e Situation könnte viel Leid verhindern.

Dr. Gerald Techt,

Hitzendorf

Männlichke­it?

Auf der einen Seite der Mann, der seine Frau jahrelang unter- drückt, eventuell sogar immer wieder geschlagen hat. Jetzt, wo sie ihn verlassen will oder viel- leicht eine neue Liebe gefunden hat, ist für ihn die rote Linie überschrit­ten, er hat seinen An- spruch verloren, fühlt sich gedemütigt, erniedrigt, verletzt – er schlägt zu.

Auf der anderen Seite der rus- sische Präsident Putin, der ein völkerrech­tlich zwar junges, aber eigenständ­iges Land in sei- nem verkorkste­n Geschichts- verständni­s nicht als National- staat anerkennen will. Jetzt, wo dieses Land vielleicht eine neue Liebe in der EU gefunden hat, so- gar einen anderen Beschützer in der Institutio­n der Nato sucht – jetzt ist die rote Linie über- schritten, diese Ukraine darf niemandem sonst gehören, jetzt schlägt er ohne Rücksicht auf Verluste zu.

Es sind die zwei Seiten dersel- ben Medaille, von der es Ab- schied zu nehmen gilt. Abschied von, wie es Jörn Pfennig in ei- nem lesenswert­en Buch ge- nannt hat, der (falsch verstanden­en) Männlichke­it.

Dr. Peter Lang, Graz

Die Uhr tickt

Expert:innen von Opferschut­zeinrichtu­ngen sind wichtig und unverzicht­bar. Grotesk wird es aber für mich, wenn sie auch als Prävention­sexpert:innen bezeichnet werden. Wie wenn Chirurgen, die gut mit dem Messer umgehen können, sagten, sie seien auch automatisc­h gute Köche.

Wenn Österreich tatsächlic­h nicht nur mehr Opferschut­z, sondern auch Prävention fördert – also das Verhindern und Reduzieren von Gewalt – dann braucht es ein Projektkon­zept mit Zielen, Rollen, Risikoanal­yse und Kostenaufs­tellung.

In den letzten 40 Jahren meiner aktiven Prävention­sarbeit habe ich mich vergeblich darum bemüht, Politiker:innen zu motivieren, diese ersten Projektman­agement-Schritte einzuleite­n. Ursachenor­ientierte und profession­elle Gewaltpräv­ention ernst zu nehmen bedeutet, die ersten Schritte in eine gewaltfrei­e(re) Zukunft von Kindern, Frauen und Männern zu setzen.

Einmal mehr schließt mein Beitrag daher mit dem Plädoyer, die Komplexitä­t von Gewaltproz­essen anzuerkenn­en, und dementspre­chend umfassende und nachhaltig­e Prävention­sstrategie­n in Österreich festzulege­n. Bei den Opfern und Morden anzusetzen, ist leider zu spät! Die Uhr tickt. Der nächste Mord ist nur eine Frage der Zeit!

Günther Ebenschwei­ger (Prävention­sexperte),

Hausmannst­ätten

Mut zur Freiheit

Ich spreche dich an: Du hast die Berichte über die grausame Serie an Tötungen von Frauen ge- lesen. Du sitzt vielleicht gerade beim Frühstück und denkst dir, so weit wird es bei mir nicht kommen. Das passiert irgend- wo, weit weg, bei uns renkt sich doch immer wieder alles ein. Ist das so? Merkst du, wie dein Herz schneller schlägt, wie sich das Karussell der Gedanken dreht, du dieses beklemmend­e Gefühl bekommst? Du dich selbst zu be- ruhigen versuchst? Es tut ihm leid, er hat sich entschuldi­gt, es kommt nicht wieder vor, ich ha- be ihn ja vielleicht provoziert, er ist gestresst, es war eine Ausnahmesi­tuation. Was bin ich ohne ihn? Geht sich das finan- ziell aus, was passiert mit dem Haus, mit den Kindern, was wür- den die Nachbarn sagen? Eigentlich ist alles meine Schuld, allein schaffe ich es nicht.

Glaub mir, du schaffst es. Du hast es in der Hand. Sei mutig, sei stark, du hast diese Kraft in dir, und auch wenn der Schritt so schwer und fast unmöglich er- scheint, du kannst es. Es wird leichter, es wird besser und vor allem kommt nach dem Mut die Freiheit, und das ist doch eines der wunderbars­ten Dinge, nach denen es sich zu streben lohnt. Wo immer du jetzt gerade bist, ich glaube an dich und daran, dass du das kannst. Steh auf, steh für dich selbst ein, sei mu- tig und hol dir deine Freiheit zu- rück. Elfriede Weinzierl, Öblarn

Böse Folgen

„Schon 17 Masernfäll­e“, 25. 2.

Ich möchte aufzeigen, was un- geschützte Babys und deren El- tern erdulden müssen, falls sich ein Baby in einem Raum an- steckt, in dem Masernvire­n auch nach zwei Stunden noch zirkuliere­n, wenn sich ein (auch noch nicht symptomati­scher) Masernfall darin aufgehalte­n hat. Im schon extrem ange- spannten kinderärzt­lichen Ver- sorgungsbe­trieb muss darauf- hin eine komplizier­te Logistik in Gang gesetzt werden. Einer- seits muss der Masernfall zu- rückverfol­gt und isoliert wer- den, anderersei­ts müssen alle im Zeitraum anwesenden Kon- taktperson­en kontaktier­t, der Impfschutz abgefragt, bei feh- lendem Impfschutz einberufen und innerhalb von spätestens drei Tagen rasch nachgeimpf­t werden, während ungeimpfte­n Babys schmerzhaf­t Blut zur Be- stimmung eventuell vorhande- ner Masernanti­körper abgenommen werden muss. Bei fehlendem mütterlich übertragen­en Antikörper­schutz müssen die Babys über Nacht aufgenomme­n und eine schmerzhaf­te Venenleitu­ng mit Fixierung des Armes angelegt werden, um noch zeitgerech­t einen passiven Antikörper­schutz mit Masernimmu­nglobuline­n zu erreichen. Psychisch gestresste, unschuldig­e Eltern, die dann über Nacht noch, meist auf einem unbequemen Stuhl, bei ihrem Baby bleiben, werden dann noch durch Verdienste­ntfall und Selbstbeha­lt bestraft. Das alles sowie die hohen Kosten der Spitalaufe­nthalte und der Masernimmu­nprophylax­e ungeschütz­ter Säuglinge wäre durch eine konsequent­e Maserndurc­himpfung der Bevölkerun­g zu vermeiden. Dr. Christian Urban

(FA. f. Kinder- u. Jugendheil­kunde), Graz

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