„Erschreckend, wie viele Menschen uns nicht glauben“
Pack, New York, Wien: Der Virologe Florian Krammer kehrt nach Österreich zurück. Auf die Frage, ob wir auf eine nächste Pandemie vorbereitet sind, antwortet er mit: Jein.
Sie sind seit 1. März an der MedUni Wien Professor für Infektionsmedizin und werden ab Mitte 2025 das LudwigBoltzmann-Institut für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge leiten. Wie ist es dazu gekommen?
Die Professur für Infektionsmedizin wurde ausgeschrieben, und drauf hab ich mich beworben. Da war ich auch nicht der einzige Kandidat. Und in Bezug auf Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge – da gab es Gespräche mit mehreren Kollegen, wie man solche Strukturen in Österreich aufbauen kann. Als dann das Ludwig-Boltzmann-Institut ausgeschrieben wurde, haben wir uns recht rasch entschieden, uns als Team zu bewerben.
Sie werden Ihre Professur auch weiterhin in New York haben, wie wird die Arbeit logistisch aussehen? Wie oft werden Sie hier sein? Es ist nicht so, dass ich eine 38,5Stunden-Woche habe, eher das doppelte. Der Plan ist, dass ich meine Zeit blocken werde, ein paar Wochen hier, dann wieder eine Zeit in New York. Ich werde viel unterwegs sein, obwohl ich eigentlich Flugangst habe. Persönlich gibt es mir die Möglichkeit, öfter meine Familie in der Steiermark zu besuchen.
Was wird der Schwerpunkt Ihrer Arbeit in Österreich sein?
Ich bin sehr an der Schnittstelle zwischen Vogelgrippeviren und menschlicher Immunität interessiert. Bei H5N1 etwa, einem Stamm, der sich in der Tierwelt rasant ausbreitet. Mich interessiert, wie viel Resistenz die humane Bevölkerung haben würde. Es gibt eine gute Kollaboration mit Robert Krause von der Med Uni Graz zu Hantaviren. Dazu forschen wir aktuell in New York, gut möglich, dass sich das nach Wien verlagert.
Wenn wir über Wissensvermittlung sprechen: Wir sehen aktuell einen Anstieg der Masernfälle, aufgrund von Impflücken bzw. niedriger Impfraten. Wie können wir der Impfskepsis begegnen?
Das ist eher der indirekte Fokus der Arbeit am Boltzmann-Institut. Der direkte ist, dass man Menschen in die Wissenschaft einbindet und die Kommunikation über Wissenschaft verbessert. Die Masern-Situation ist in der Tat äußerst kritisch, denn das ist eine sehr gefährliche Erkrankung. Da braucht es meiner Ansicht nach Aufklärung und großangelegte Impfkampagnen, um das wieder unter Kontrolle zu bringen. Wir müssen vermitteln, welche schwerwiegenden Folgen eine Masernerkrankung haben kann, Kinder können daran versterben, auch Jahre nach der Infektion noch.
Sie sagten vor Kurzem, dass Sie bis zu Ihrer Pensionierung mit zwei bis drei Pandemien rechnen. Sind wir nach der letzten auf weitere besser vorbereitet?
Ich rechne, dass ich mit 80 in Pension gehe – wenn wir Glück haben, passiert gar nichts, aber ich fürchte, das gibt die Vergangenheit nicht her. Sind wir besser vorbereitet? Jein. Technisch sind wir besser geworden, wir können mit Impfstoffen sehr schnell reagieren. Nehmen wir Influenza als Beispiel, da könnten wir binnen drei Monaten wohl einen neuen Impfstoff am Markt haben. Das könnten wir auch bei einem neuen Erreger zusammenbringen, das braucht aber Vorbereitung, dazu gehören Virusüberwachung und Erforschung der Viren.
Wenn Sie „Jein“sagen, wo sind wir nicht so gut vorbereitet? Gesellschaftlich sind wir schlechter vorbereitet. Eben, weil es sehr viel Skepsis gibt. Viele bezweifeln, dass Viren schädlich sind oder glauben, dass die Impfung schlimmer ist als die Erkrankung. Da braucht es Arbeit. Nicht nur in Österreich, international. Es ist erschreckend, wie viele Leute der Wissenschaft nicht glauben.
Wie können wir die gesellschaftlichen Verwerfungen überwinden? Denn, das ist ja auch in Bezug auf den Klimawandel und dessen Folgen von Bedeutung? Ich denke, dass wir sehr früh ansetzen müssen. Wir sollten junge Menschen schon in Schulen für Wissenschaft begeistern oder sie zumindest in Berüh
rung damit bringen. Viel Skepsis rührt wohl daher, dass nicht verstanden wird, was Wissenschaft macht und wie Forscherinnen und Forscher arbeiten. Während der Pandemie wurden Erkenntnisse präsentiert, mit der Zeit veränderte sich die Datenlage und die Erkenntnisse, dann wurde das kommuniziert. Da haben viele gesagt: Heute sagen sie das eine und morgen das andere. Wir müssen anfangen zu erklären, dass wir Erkenntnisse auf einer momentanen Datenlage haben, diese sich aber ändern kann. Da sind viele Fehler gemacht worden. Wir müssen besser kommunizieren, dass Wissenschaft nichts Absolutes ist. Es geht darum, dass man nicht sagt „so ist es“, sondern, „aufgrund unserer Erkenntnisse, glauben wir, dass es so ist, aber alles wissen wir noch nicht.“Das ist in einer Krisensituation wie einer Pandemie schwierig, denn das ist keine klare Message. Deswegen müssen wir Menschen mit Wissenschaft vertraut machen.
Weil wir Vertrautem weniger skeptisch gegenüberstehen?
Ja, wenn ich bestimmte Begriffe schon mal gehört habe, einen Grundstock an Wissen habe, bin ich weniger anfällig für falsche Behauptungen. Nehmen wir die Zeckenimpfung, die ist nicht sehr umstritten, das ist eine österreichische Entwicklung, kennen wir. Das sollte das Ziel für alle Technologien sein. Aber: Wir müssen klar kommunizieren und auch klar sagen, wenn es Risiken gibt und welche das sind.
Wie sollte eine gute Vorbereitung auf eine nächste Pandemie aussehen? Was sollte man in Österreich angehen?
Wir wissen nicht, wann die nächste Pandemie kommt, aber es wäre gut, einen Plan für den Notfall in der Tasche zu haben – für unterschiedlichste Szenarien. Dafür müssen wir Schlüsse aus der letzten ziehen. Da sehen wir etwa, dass die Reaktion auf die erste Welle in Österreich hervorragend war, besser als in anderen Ländern. Mit der Zeit hat die Unterstützung in der Bevölkerung aber abgenommen. Daraus können wir lernen.
H5N1 breitet sich in der Tierwelt rasant aus, ist es möglich, dass ein Vogelgrippestamm die Ursache für eine nächste Pandemie sein könnte?
Es gibt viele Faktoren, die eine nächste Pandemie beeinflussen können, dass wir den Lebenswelten von Wildtieren immer näherkommen, diese immer weiter einengen, sind nur zwei davon. Bei H5N1 sahen wir in den letzten Jahren wahnsinnig viel Kontakt, aber erstaunlich wenige humane Infektionen. Das bedeutet nicht, dass das Risiko nicht da wäre, aber wie groß es wirklich ist, ist schwer zu beurteilen. H2N2, das 1957 schon eine Pandemie ausgelöst hat, macht mir mehr Sorgen. Ich gehe davon aus, dass die nächste Pandemie wieder von Influenza ausgelöst sein wird. Wir müssen die Augen offenhalten.