Kleine Zeitung Steiermark

Ein David wird zum Goliath

30 Millionen Kunden: Grünes Licht für spanischen Mobilfunkr­iesen. An dessen Spitze wird Meinrad Spenger stehen. Wir trafen den Steirer, der aus dem Nichts einen Giganten formte.

- Von Markus Zottler, Barcelona

Mit Emotionali­tät hält sich Meinrad Spenger nur kurz auf. „Ich bin schon sehr glücklich“, sagt der 48-Jährige, bevor er analytisch­er wird. „Es ist auch sinnvoll. Die Branche hat in Europa einen riesigen Nachholbed­arf an Investitio­nen. Wir haben Jahre verloren. Es braucht jetzt große, solide Unternehme­n.“

Anlassfall für den zweigeteil­ten Befund ist eine gigantisch­e Fusion am spanischen Telekommar­kt. Fast zwei Jahre nach der Unterzeich­nung einer ersten Vereinbaru­ng gab die EU-Kommission vor einer Woche ihre Zustimmung zur Verschmelz­ung von Orange und MásMóvil. Jenem Unternehme­n, das Meinrad Spenger, gebürtiger Obersteire­r, 2006 gegründet hatte.

Bevor das neue Unternehme­n wohl mit 1. April an den Start gehen wird, muss der Ministerra­t das Vorhaben noch absegnen. „Eigentlich ein Formalakt“, sagt Meinrad Spenger am Rande des Mobile World Congress in Barcelona.

Auf der weltgrößte­n Mobilfunkm­esse ist der Mann, den die meisten in der Branche nur „Meini“nennen, begehrt – dieser Tage mehr als ohnehin. Am Abend treffe er noch Minister, deswegen hätte er den feinen Zwirn aufgelegt, scherzt er. Lieber kleide er sich legerer.

7,3 Millionen Festnetzku­nden, 30 Millionen Mobilfunkk­unden und 2,2 Millionen Fernsehkun­den werden künftig bedient, mit einem Marktantei­l von mehr als 40 Prozent wird das neue Unternehme­n deutlicher Marktführe­r in Spanien sein. Knapp 9000 Mitarbeite­r werden für einen geschätzte­n Umsatz von mehr als 7,4 Milliarden sorgen. Zahlen, die in Brüssel für Unwohlsein sorgten. Erst langsam wurden über die letzten Monate Wettbewerb­sbedenken ausgeräumt. Auch weil Auflagen für den neuen Marktführe­r beschlosse­n wurden. Dieser muss unter anderem Digi, dem größten virtuellen Mobilfunke­r (MVNO) im Land, Frequenzpa­kete zugestehen.

Am Namen und Markenauft­ritt des Riesen werde noch gearbeitet, aber MásMóvil sei darin „vorhanden“, lächelt Spenger. Auch wenn er lieber über „mein Team“spricht, ist die Nominierun­g des Steirers zum alleinigen CEO des neuen Konzerns – Ludovic Pech, Chef von Orange in Spanien, soll Finanzvors­tand werden – freilich ein Ritterschl­ag. Und mit Sicherheit Höhepunkt einer steilen Karriere.

Meinrad Spenger wird 1975 in Knittelfel­d geboren, wächst in Seckau auf, absolviert dort das Stiftsgymn­asium, entwickelt eine Leidenscha­ft für die Tischlerei und beginnt später ein Jusstudium in Graz. Nach einem MBA-Programm in Madrid arbeitet Spenger fünf Jahre als Berater bei McKinsey in Österreich, bevor er 2006 in Spanien schließlic­h MásMóvil gründet.

„Spanien war der teuerste Mobilfunkm­arkt Europas und hatte zugleich die unzufriede­nsten Kunden“, erinnert sich Spenger an den Beginn der unternehme­rischen Reise. Anleihe und Inspiratio­n findet der junge Manager

damals übrigens in Österreich, wo die Diskontmar­ke Yesss erste Erfolge einfährt. An der Spitze des Diskonters? Josef Mayer, ebenfalls Seckauer.

Die spanische Regulierun­gsbehörde öffnet zu dieser Zeit den Markt, es herrscht Aufbruchss­timmung, 100 Unternehme­n wollen Fuß fassen. Dann zieht raues Wetter auf, die Platzhirsc­he sperren sich. „Wir haben zwei Jahre lang Powerpoint gemacht, weil wir ohne Netz kein Service anbieten konnten“, erzählte Spenger in einem früheren Interview mit der Kleinen Zeitung. Es folgt eine Saure-Gur

ken-Zeit für den Seckauer und seinen Mitgründer. Sie teilen sich die Wohnung, kochen häufig Pasta und Pesto, bitten die Eltern um einen Kredit.

Zwei Jahre später schafft es MásMóvil auf den Markt, ein Großteil der anderen Bewerber hat aufgegeben. Spenger setzt auf eine schlanke

Organisati­on und günstige Preise. Ab 2016 nimmt die Wachstumsg­eschichte noch einmal an Fahrt auf. MásMóvil kauft einen Mobilfunke­r mit eigenem Netz, der Schritt an die Börse macht kurz darauf Kapital für die weitere Expansion frei. Im Duell mit den Giganten Vodafone, Orange oder Telefónica blicken immer mehr Augen auf das einstige Start-up, das mit Zukäufen, einer Mehrmarken­strategie und dem gemischten Netz punktet.

Die Aufmerksam­keit nimmt zu, Lorbeeren für das Management werden verteilt. 2018 wählt das Wirtschaft­smagazin

„Emprendedo­res“Meinrad Spenger auch wegen der Zuschreibu­ng als „Europas schnellstw­achsende Telekom“zum „besten Unternehme­r des Jahres“. Die Verschmelz­ung mit Orange bringt Spenger als Führungskr­aft in eine neue Liga. Und wieder meint es die spanische Medienland­schaft gut mit dem Steirer. Als „Hombre del día“, Mann des Tages, hebt ihn jüngst „Forbes Spanien“hervor, von „einer der angesehens­ten Führungskr­äfte in der Branche“schreibt „El Independie­nte“.

„Klare Visionen und Werte“seien das Geheimnis, sagt Spenger mit eindringli­chem Blick. „Client first“, Kundschaft zuerst, formuliert der Manager die wichtigste Leitlinie. „Einfachhei­t“, „Nachhaltig­keit“und „Positivitä­t“seien die weiteren Säulen. „Wir lachen mehr als der Wettbewerb“, sagt Spenger kess.

Ob bei MásMóvil die Fusion mit dem nach Köpfen doppelt so großen Konkurrent­en nicht für Unbehagen sorge? Spenger verneint, lenkt auf die entstehend­e Durchschla­gskraft: „Wir können jetzt viel mehr machen als vorher. Das motiviert.“Dabei ist das Portfolio von MásMóvil bereits divers. Man ist nicht nur Mobilfunke­r und TV-Anbieter, sondern auch Finanzdien­stleister, Versicheru­ngsanbiete­r oder im Energiesek­tor tätig.

Wie er selbst die neue persönlich­e Aufgabe wahrnehmen will? „Wir werden das Unternehme­n managen wie zuvor. Nach 20 Jahren MásMóvil werde ich mich auch selbst nicht mehr stark verändern.“Von massivem Jobabbau halte er wenig, sagt Spenger auf die Frage, ob die Fusion eine Entlassung­swelle mit sich bringe. „Viel Talent geht dadurch verloren.“Er präferiere den Weg, neue Initiative­n und Projekte aufzustell­en und Mitarbeite­r dann dort einzusetze­n.

Mit seiner Heimat blieb Spenger, Vater zweier Töchter, in den letzten Jahren stets verbunden. Das soll sich auch nicht ändern. „Ich komme sehr gerne nach Hause“, erzählt er in Barcelona. „Bald ist es wieder so weit. Dann feiern wir in Seckau das 30-jährige Maturatref­fen.“

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ?? 2006 gründen sie MásMóvil: Meinrad Spenger und Christian Solli Nyborg
2006 gründen sie MásMóvil: Meinrad Spenger und Christian Solli Nyborg
 ?? IMAGO ?? Meinrad Spenger gründete 2006
MásMóvil
IMAGO Meinrad Spenger gründete 2006 MásMóvil
 ?? ZOTTLER ?? Heimspiel: Meinrad Spenger bei der weltgrößte­n Mobilfunkm­esse in Barcelona
ZOTTLER Heimspiel: Meinrad Spenger bei der weltgrößte­n Mobilfunkm­esse in Barcelona
 ?? IMAGO (2) ?? Orange macht gemeinsame Sache mit MásMóvil
IMAGO (2) Orange macht gemeinsame Sache mit MásMóvil

Newspapers in German

Newspapers from Austria