SCHEINWERFER Wie wir leben, arbeiten und konsumieren wollen
Warum die kritische Kulturbranche anfällig für Übergriffe ist – Versuch einer Erklärung.
Kjulia.schafferhofer@kleinezeitung.at ünstlerinnen und Künstler scheuen sich selten, gesellschaftliche Missstände oder politische Verfehlungen zu kritisieren und sie in Filmen und Stücken zu themati- sieren. Und ausgerechnet in der Kunst- und Kulturbranche poppen immer wieder Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch auf, wie aktuell in der Doku „Gegen das Schweigen“. Warum? Und warum schweigen so viele? Weil Künstler im kulturbeses- senen Österreich wie Genies behandelt werden und ein Ruf als Enfant Terrible die Bewunderung noch befeuert.
Wie bei Theatermacher und Mime Paulus Manker: Mit Prozessen hat er reichlich Erfahrung. Wie der „Falter“berichtet, wurden zwischen 2018 und 2023 13 Anzeigen bei der Arbeiterkammer gegen ihn gestellt. Alle Verfahren gingen zugunsten der Mitarbeitenden aus. Folgen?
Nicht unbedingt. 2023 förderte ihn das Land Niederösterreich mit 60.000 Euro. Für die Schadenersatzforderungen musste Manker nicht aufkommen, sondern der Insolvenz-Entgelt-Fonds der öffentlichen Hand. Er hätte sich ein Auffangnetz aus Vereinen und Kommanditgesellschaften aufgebaut und praktiziere ein System der Scheinselbstständigkeit, um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Seit Jahren. Manker weist alle Vorwürfe zurück.
Dahinter stauen sich systemimmanente Probleme: Die Branche ist klein, das Angebot u. a. an tollen Schauspielenden größer als die Nachfrage. Eine Karriere als Star kann man nicht planen. Es gibt top ausgebildete Musikerinnen, Komponisten, Sängerinnen, Kameraleute – an die Spitze schaffen es nur ein paar. Man muss für eine Rolle oder einen Job gebucht und ausgewählt werden. Nicht einmal, sondern immer wieder aufs Neue. Jobs sind sehr begehrt. Honorare werden gedrückt, Überstunden nicht bezahlt, viele arbeiten – trotz erhaltener Preise – in prekären Verhältnissen oder gelten jenseits der 40 noch als Nachwuchs. Inklusive Nachwuchswert. as ist eine Form von Abhängigkeit, der sich die Machthabenden durchaus bewusst sind. Die Macht bündelt sich bei Einzelnen – manchmal in Personalunion, wenn der Regisseur auch der Produzent ist. Diese Abhängigkeit reicht vom Star bis zum Beleuchter. Verhaltenskodexe und Vertrauenspersonen in Film und Theater federn seit einiger Zeit vieles ab. Es bedarf jedoch mehr Expertise von außen und besserer Kontrollmechanismen. Die große Erschütterung reicht ebenso wenig aus wie die internen Arbeitsgruppen, die jetzt wieder gegründet werden. Es geht um Existenzielles: Wie wollen wir leben? Wie arbeiten? Und wie Kultur konsumieren, wissend, wie gearbeitet wurde?
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