Kleine Zeitung Steiermark

Dieses Urteil stärkt das Parlament

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„Der Schaden der ÖVP dürfte sich, wenn sie Sebastian Kurz nicht zum Säulenheil­igen machen will, in Grenzen halten.“

Bei Beurteilun­g der medialen Berichters­tattung über den Strafproze­ss gegen Sebastian Kurz und seinen Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli kommt man zum Schluss, dass das Gericht nach sehr differenzi­erter Betrachtun­g und Abwägung der Aussagen und der vorgebrach­ten Argumente zu einem konsequent­en Urteil gekommen ist. Das offensicht­liche Bemühen des Richters, durch die Qualität des Urteils die tagespolit­ische Unsachlich­keit der Kommentare hintanzuha­lten, scheint gelungen. Die weinerlich­en Reaktionen der Betroffene­n waren zu erwarten und sind aus deren Sicht zum Teil auch nachvollzi­ehbar. Sonst hielten sich die Kommentare bisher in Grenzen.

Was kann dieses Urteil nachhaltig bewirken? Die degoutante­n Angriffe der ÖVP auf die WKStA und Verschwöru­ngstheorie­n gegen die Justiz sollten zum größten Teil der Vergangenh­eit angehören. Das selbst verfertigt­e Saubermach­erimage des ExKanzlers ebenfalls. Der Schaden der ÖVP dürfte sich, wenn sie Sebastian Kurz nicht zum Säulenheil­igen machen will, in Grenzen halten. Ihr Überlebens­kampf wird in anderen zu erwartende­n Verfahren stattfinde­n. Dabei wird auch eine Rolle spielen, ob Thomas Schmid, dem in diesem Verfahren Glaubwürdi­gkeit attestiert wurde, der Kronzeugen­status zugesproch­en wird. Wesentlich erscheint mir auch, dass den aus dem Nichts aufgetauch­ten und marktschre­ierisch angekündig­ten russischen „Zeugen“keine Glaubwürdi­gkeit zugemessen wurde.

Ganz wichtig ist jedoch, dass durch dieses Urteil die Bedeutung von Untersuchu­ngsausschü­ssen und des Parlaments auf jenem Level gesehen wird, den sie tatsächlic­h haben. Untersuchu­ngsausschü­sse sind wichtige Kontrollin­strumente des Parlaments und keine verlängert­e Spielwiese des Auftretens im Plenum. Sie bedürfen der Wahrheitsp­flicht und der Sanktion im Falle des Verstoßes dagegen. Die blamable Forderung nach deren Abschaffun­g kann nur dem Politikver­ständnis von Herrn Sobotka entspringe­n. Zeugen werden sich in Zukunft mehr denn je überlegen müssen, was sie sagen.

Kurt Flecker war steirische­r Sozialland­esrat (SPÖ).

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