„Grüne sind oberlehrerhaft“
INTERVIEW. Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) regiert in Oberösterreich mit der FPÖ. Eine Koalition mit FPÖ-Chef Kickl lehnt er ab.
Wie froh sind Sie, dass Sie heuer keine Wahlen zu schlagen haben? Als 2021 in Oberösterreich gewählt wurde, gab es Rückenwind für die ÖVP vom Bund, jetzt Gegenwind.
THOMAS STELZER: Wir haben es mit einem sehr herausfordernden Umfeld zu tun, wir werden uns um ein gutes Ergebnis bemühen. Wir haben einen Spitzenkandidaten, der für Vernunft in der Politik eintritt.
Laut Umfragen liegt die FPÖ auf Platz eins. Sollte der Gewinner nicht den Kanzler stellen?
Wir haben noch bis Ende September Zeit, Gott sei Dank. Deswegen war ich dafür, dass wir nicht vorzeitig wählen. Unser Ziel ist, dass wir weiterhin den Kanzler stellen.
Sie koalieren in Oberösterreich mit der FPÖ. Warum keine Koalition mit der FPÖ im Bund, wo doch die inhaltlichen Überschneidungen groß sind?
Man muss die Koalition danach bewerten, wo sie stattfindet, wer die handelnden Personen sind. In Oberösterreich läuft es sehr gut, wir sind stabil, arbeiten zügig. Das ist aber nicht eins zu eins auf den Bund zu übertragen.
Warum haben Sie Vorbehalte gegen FPÖ-Chef Kickl?
Weil er sein Gegenüber sehr schnell verächtlich macht und die Dinge ins Negative zieht. Wenn man Verantwortung übernimmt, muss man die Leute zusammenführen, nicht auseinanderdividieren. Die ÖVP hat eine sehr klare Linie.
Wenn sich die ÖVP bei der Bildung einer Dreier-Koalition zwischen Neos oder Grüne entscheiden muss: Wäre es mit den Neos inhaltlich leichter?
Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass eine Dreier-Koalition nicht unbedingt erfolgversprechend ist. Bei der Debatte zum Bodenverbrauch agieren manche Grüne schon sehr oberlehrerhaft. Die Grünen müssen zur Kenntnis nehmen, dass demokratische Entscheidungen anders laufen, als das ihnen passt.
Sie spielen auf den Krach um die Bodenstrategie an, wo die Länder dem Bund bei der Begrenzung der Versiegelung einen Korb gegeben haben. Warum sind Sie dagegen?
Erstens, weil die Länder laut Verfassung für die Raumordnung zuständig sind. Wir brauchen keinen Aufpasser. Zweitens sind in Oberösterreich mehr als 92 Prozent Grünfläche, Wald, Wiese, Wasser. Es wird nicht alles zugepflastert. Das sklavische Festlegen am „Hektarzählen“ermöglicht keine Entwicklung, keine Betriebsansiedlungen.
Dass in Österreich sehr viel zubetoniert wird, dem widersprechen Sie nicht?
Viele Leute wollen den Boden schützen, das ist gut so. Man muss auch die Debatte führen, was man als Eigentümer einer gewidmeten Fläche tun darf. Wenn es um eine Riesen-Photovoltaikanlage oder ein Windrad geht, spielt die Frage der Versiegelung keine Rolle. Dann pflastert man das einfach hin.
Können Sie sich eine Leerstandsabgabe vorstellen?
Die Regierung will uns Kompetenzen übertragen. Wir müssen uns die Details anschauen. Leerstände zu bespielen oder bereits gewidmetes Bauland zu benutzen, das macht schon Sinn.
Es gibt eine Debatte, ob man die Strafmündigkeit nicht herabsetzen soll. Wie sehen Sie das?
Man kann nicht zur Tagesordnung übergehen. Prävention ist
Zur Person
Thomas Stelzer, geboren 1967, ist seit 2017 Landeshauptmann von Oberösterreich. 2021 kam die ÖVP auf 37,6 Prozent, die FPÖ stürzte auf 19,7 Prozent ab. Stelzer setzte Koalition mit FPÖ fort. Oberösterreich wählt erst 2027 wieder.
sehr wichtig, aber man kann der Gesellschaft nicht den Schwarzen Peter zuschieben, wenn ein Verbrechen begangen wird. Man muss die Eltern viel stärker in die Verantwortung nehmen.
Was ist vorstellbar? Soll die Familienbeihilfe gestrichen werden?
Wenn jemand, der nicht strafmündig ist, eine Straftat begeht, kann das der Gesellschaft nicht egal sein.
Obwohl die Eltern ohnehin dran sind, wenn ein Kind etwas angestellt hat?
Ja, aber offensichtlich funktioniert das nicht gut genug, denn sonst würden diese Dinge nicht vorfallen.
Sie fordern eine Schuldenobergrenze im Bund, andererseits halten die Länder permanent die Hand auf. Das ist doch unseriös? Ich muss widersprechen. Es zahlt nicht der Bund, das Geld kommt aus der gemeinsamen Steuerkasse. Wir haben uns als Land für eine Schuldenobergrenze verpflichtet. Beim Klima fordern alle selbstverständlich Nachhaltigkeit ein, bei den öffentlichen Finanzen muss das genauso gelten. Wir wollen keine Schuldenberge hinterlassen.
Letzte Frage: Die ÖVP hat sich über den Richter echauffiert, der Kurz verurteilt hat. Darf sich die Politik einmischen?
Ich halte viel davon, dass wir die Gewaltenteilung respektieren und die Unabhängigkeit der Justiz in keiner Sekunde infrage stellen. Aber wenn man sich das anschaut, hat man vielleicht eine Empfindung, dass das schon eigenartig ist. Aber das Urteil geht in die nächste Instanz, das soll dort beurteilt werden.