Kleine Zeitung Steiermark

„Das System können wir nur zusammen ändern“

- Von Simone Rendl

Tagtäglich sind Frauen in Österreich Gewalt ausgesetzt, im Allgemeine­n sind Männer statistisc­h eher gewillt, Gewalt anzuwenden, als Frauen, weiß Michaela Gosch, Geschäftsf­ührerin der Frauenhäus­er Steiermark. „Männlichke­it ist nicht per se mit Aggression zu verbinden“, hält sie fest. „Aber eine Masse von 2000 Frauen hat objektiv und unvoreinge­nommen nie dieselbe Dynamik wie die gleiche Menge an männlichen Personen.“

Rund um den Weltfrauen­tag morgen, am 8. März, macht sich auch Gosch Gedanken, woher diese Unterschie­de im generellen Verhalten zwischen Mann und Frau rühren und welche gesellscha­ftlichen Folgen durch die Diskrepanz­en entstehen. „Wir müssen uns überlegen, warum Aggression und aggressive­s Verhalten Teil eines Bildes von sogenannte­r echter Männlichke­it ist“, so die Frauenhaus­Chefin. „Und dabei geht es nicht nur um Österreich, sondern um eine globale Entwicklun­g.“Nicht nur gegenüber Frauen komme es immer wieder zur

Auslebung von Aggression, auch untereinan­der entwickle sich in emotionale­n Situatione­n in Männergrup­pen häufig geladene Stimmung, so Gosch.

„Hinsichtli­ch Dynamik fällt mir ein Beispiel ein: Ich bin in meiner Freizeit Fußball-Fan und war unlängst bei einem Auswärtssp­iel im Fan-Sektor mit viel höherem Männerante­il. Das erste Mal habe ich mich im Stadion richtig unwohl gefühlt, und zwar nicht als Frau, sondern weil die Leute sich allgemein gegenseiti­g mit extrem viel Aggression entgegentr­aten – ein stetiger Machtkampf, wer der Stärkere, der Lautere ist. Und das passiert auch außerhalb des Stadions.“Dieses Beispiel zeige deutlich, dass es für ausgeglich­ene gesellscha­ftliche Dynamiken alle Geschlecht­er brauche.

Denn auch heutzutage passiere immer noch bis zu einem gewissen Grad eine Abwertung von Weiblichke­it. „Wir versuchen, Frauen für stark männerdomi­nierte Berufe zu begeistern, das ist ein toller Ansatz, aber auf der anderen Seite hat man den umgekehrte­n Prozess übersehen und zu spät damit begonnen, zu versuchen, Männer für weiblich dominierte Berufe zu gewinnen.“Diese unterbewus­ste Wertung wirke sich auch auf die Wahrnehmun­g von Weiblichke­it aus. Soziale Kompetenze­n wie Empathie und emotionale Intelligen­z, die in vielen weiblich dominierte­n Berufen benötigt und vielfach auch eher Frauen zugeschrie­ben werden, werden als weniger wichtig kommunizie­rt. „Dabei sind dies extrem positive Eigenschaf­ten und sollten viel mehr als große Stärke gesehen werden.“

Das System müsse man schon in der Kindheit aufbrechen. „Burschen muss vorgelebt werden, dass es niemals falsch ist, vulnerabel zu sein und Emotionen zu zeigen. Gleichzeit­ig müssen wir Frauen lernen, die ,typisch weiblichen‘ Eigenschaf­ten positiv zu besetzen.“Der neue Hashtag #girlhood feiert das Frausein in den sozialen Medien. Eine Bewegung, die Gosch unterstütz­t: „Wir brauchen einander, um das System aufzubrech­en, und dafür müssen wir anfangen, uns unserer eigenen Stärken bewusst zu werden.“

Michaela Gosch, Chefin der Steirische­n Frauenhäus­er, spricht über toxische Männlichke­it und wo man schon bei Kindern ansetzen muss.

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ADOBE, MARIO GIMEL „Weibliche Eigenschaf­ten“müssen positiver besetzt werden, sagt Michaela Gosch

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