„Das System können wir nur zusammen ändern“
Tagtäglich sind Frauen in Österreich Gewalt ausgesetzt, im Allgemeinen sind Männer statistisch eher gewillt, Gewalt anzuwenden, als Frauen, weiß Michaela Gosch, Geschäftsführerin der Frauenhäuser Steiermark. „Männlichkeit ist nicht per se mit Aggression zu verbinden“, hält sie fest. „Aber eine Masse von 2000 Frauen hat objektiv und unvoreingenommen nie dieselbe Dynamik wie die gleiche Menge an männlichen Personen.“
Rund um den Weltfrauentag morgen, am 8. März, macht sich auch Gosch Gedanken, woher diese Unterschiede im generellen Verhalten zwischen Mann und Frau rühren und welche gesellschaftlichen Folgen durch die Diskrepanzen entstehen. „Wir müssen uns überlegen, warum Aggression und aggressives Verhalten Teil eines Bildes von sogenannter echter Männlichkeit ist“, so die FrauenhausChefin. „Und dabei geht es nicht nur um Österreich, sondern um eine globale Entwicklung.“Nicht nur gegenüber Frauen komme es immer wieder zur
Auslebung von Aggression, auch untereinander entwickle sich in emotionalen Situationen in Männergruppen häufig geladene Stimmung, so Gosch.
„Hinsichtlich Dynamik fällt mir ein Beispiel ein: Ich bin in meiner Freizeit Fußball-Fan und war unlängst bei einem Auswärtsspiel im Fan-Sektor mit viel höherem Männeranteil. Das erste Mal habe ich mich im Stadion richtig unwohl gefühlt, und zwar nicht als Frau, sondern weil die Leute sich allgemein gegenseitig mit extrem viel Aggression entgegentraten – ein stetiger Machtkampf, wer der Stärkere, der Lautere ist. Und das passiert auch außerhalb des Stadions.“Dieses Beispiel zeige deutlich, dass es für ausgeglichene gesellschaftliche Dynamiken alle Geschlechter brauche.
Denn auch heutzutage passiere immer noch bis zu einem gewissen Grad eine Abwertung von Weiblichkeit. „Wir versuchen, Frauen für stark männerdominierte Berufe zu begeistern, das ist ein toller Ansatz, aber auf der anderen Seite hat man den umgekehrten Prozess übersehen und zu spät damit begonnen, zu versuchen, Männer für weiblich dominierte Berufe zu gewinnen.“Diese unterbewusste Wertung wirke sich auch auf die Wahrnehmung von Weiblichkeit aus. Soziale Kompetenzen wie Empathie und emotionale Intelligenz, die in vielen weiblich dominierten Berufen benötigt und vielfach auch eher Frauen zugeschrieben werden, werden als weniger wichtig kommuniziert. „Dabei sind dies extrem positive Eigenschaften und sollten viel mehr als große Stärke gesehen werden.“
Das System müsse man schon in der Kindheit aufbrechen. „Burschen muss vorgelebt werden, dass es niemals falsch ist, vulnerabel zu sein und Emotionen zu zeigen. Gleichzeitig müssen wir Frauen lernen, die ,typisch weiblichen‘ Eigenschaften positiv zu besetzen.“Der neue Hashtag #girlhood feiert das Frausein in den sozialen Medien. Eine Bewegung, die Gosch unterstützt: „Wir brauchen einander, um das System aufzubrechen, und dafür müssen wir anfangen, uns unserer eigenen Stärken bewusst zu werden.“
Michaela Gosch, Chefin der Steirischen Frauenhäuser, spricht über toxische Männlichkeit und wo man schon bei Kindern ansetzen muss.