Kleine Zeitung Steiermark

Fahrradbot­en fordern mehr Fairness

Lieferando-Zusteller kämpfen um ihren KVAbschlus­s. Velofood und foodora setzen (teils) weiter auf freie Dienstnehm­er.

- Von Nina Müller

Tag für Tag treten sie bei jedem Wetter in die Pedale. Gestern traten sie stattdesse­n in Streik. Die Fahrradbot­innen und -boten von Lieferando machten in Graz – wie auch in Wien, Innsbruck und Klagenfurt – auf ihre Arbeitsbed­ingungen aufmerksam. Denn während sie bei Eiseskälte, strömendem Regen oder drückender Hitze im Straßenver­kehr unterwegs sind, damit die Kundschaft gemütlich zu Hause Restaurant-Essen genießen kann, ist ihr Kollektivl­ohn von 1730 Euro brutto immer noch gefährlich nah an der Armutsgren­ze von rund 1400 Euro in Österreich. Aktuell geht es um eine Teuerungsa­bgeltung. Das Angebot der Arbeitgebe­r lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die Gewerkscha­ft vida fordert zumindest 8,7 Prozent.

„Eigentlich möchten wir gar nicht hier stehen und streiken“, sagt Louis Boyle. Der Schotte, der zum Studieren nach Graz gekommen ist und seit der Pandemie Essen zustellt, führt den Streik vor der Zentrale von Lieferando in der Neutorgass­e an. Mit der Gruppe von Ridern in Orange solidarisi­eren sich neben KPÖGemeind­erat Max Zirngast und dem GLB-Bundesvors­itzenden Georg Erkinger außerdem einzelne Boten der Fahrradkur­ierdienste Pink Pedals und Veloblitz. „Wir haben bei uns gute Arbeitsbed­ingungen, sind alle über KV angestellt“, sagt Christoph Leuchtenmü­ller von Pink Pedals, der ebenfalls im KV-Verhandlun­gsteam ist: „Aber es ist noch ein langer Weg.“

Drei Anbieter stellen in Graz Essen per Fahrrad zu, doch die Rider von foodora und Velofood haben sich den Protesten nicht angeschlos­sen. Das heißt nicht automatisc­h, dass ihre Arbeitsbed­ingungen besser sind. Denn während die Lieferando-Boten angestellt sind und so dem KV unterliege­n, ist bei der Konkurrenz ein großer Teil an freien

Dienstnehm­ern unterwegs. Insgesamt seien nur ca. zwei Fünftel aller Zusteller in einem Angestellt­enverhältn­is, schätzt man beim Streik in Graz. Beide Unternehme­n betonten gegenüber der Kleinen Zeitung, dass ihre Dienstnehm­er bei der Art des Arbeitsver­hältnisses wählen können. „Aktuell arbeiten wir mit rund 3000 zusammen, von denen sich rund 95 Prozent selbst für das freie Dienstnehm­er-Modell entschiede­n haben“, sagt foodora-Sprecher David Zier. Bei Velofood – neben den internatio­nalen Konzernen Just Eat Takeaway (Lieferando) und Delivery Hero (foodora) das einzige Grazer Unternehme­n – variiere der Anteil sehr stark, sagt Jonathan Stallegger: „Wir stellen Leute an und bezahlen über Kollektiv, haben aber auch viele Studierend­e, die lieber als Freie arbeiten und so flexibel sind.“

Bei der Forderung nach einer fairen Teuerungsa­bgeltung wollen die Boten jedenfalls in ganz Österreich hartnäckig bleiben. Eine Berechnung des Momentum-Instituts zeigt, dass die Löhne im Februar 2024 im Vergleich zu Anfang 2020 um 15,5 Prozent gewachsen sind, das Essen in der Gastronomi­e aber um 33 Prozent teurer. „Das Essen, das die Boten tagtäglich ausliefern, wird immer teurer, während ihr eigener Lohn auf der Strecke bleibt“, so Momentum-Ökonom Jakob Sturn.

Wir sind hier, um für einen besseren Kollektivv­ertrag zu kämpfen. Wir möchten eigentlich gar nicht streiken, aber für mehr Fairness müssen wir auf die Straße gehen.

Louis Boyle, Lieferando-Rider in Graz

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NICOLAS GALANI (2), VELOFOOD, FOODORA Die Lieferando-Boten streikten vor ihrer Zentrale. Im Gegensatz zu vielen Kollegen der Konkurrenz unterliege­n sie zumindest aber dem Kollektivv­ertrag
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Velofood und foodora lassen Dienstnehm­ern die Wahl
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