Ist das Elektroauto wirklich am Ende?
Politik, Energieanbieter und Industrie haben die Einführung der E-Mobilität verbockt. Das sind die Hintergründe – und die Auswege.
Ohne den Diesel-Skandal hätte die EU die Autokonzerne niemals in die Elektro-Mobilität zwingen können. Der Image-Schaden für die Politik war damals enorm, denn jahrzehntelang hatten die vorgelagerten Lobbying-Agenturen einiger Automobilhersteller die Politik eingelullt. CO2-Grenzen wurden deshalb aufgestellt, die es zu erfüllen gilt, sonst werden Milliarden an Strafzahlungen fällig. Und jetzt, da die Industrie alle Systeme Richtung E-Mobilität hochgefahren hat, setzt die Politik zum Salto rückwärts an. Das Verbrenner-Aus 2035 wird plötzlich infrage gestellt, die neuen Abgasregularien nach hinten verlegt, 2026 wird alles, was man geplant hat, evaluiert. Dafür gibt es politische und industrielle Hintergründe.
Weil sich viele vor einem Rechtsruck fürchten, wackeln plötzlich alle Ziele und selbst CO2-Hardliner werden weich – denn mit dem Thema der Technologieoffenheit und einer längeren Überlebensdauer für Verbrenner sind Wählerstimmen bei EU- und Parlamentswahlen zu gewinnen. Das hätte man sich ersparen können, denn längst ist klar: „Selbst wenn wir ab 1. 1. 2030 nur noch Elektroautos zulassen, also zu 100 Prozent auf E-Autos umsteigen, werden wir die Klimaziele des Verkehrssektors deutlich verfehlen“, erklärt Helmut Eichlseder, Leiter des Instituts für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme an der TU Graz. Seine Schlussfolgerung: E-Fuels und Wasserstoff müssen Teil der Lösung sein.
Die Einführung der E-Mobilität ist ein Musterbeispiel dafür, wie man eine neue Technologie, die wir etwa im Stadtverkehr dringend brauchen würden, beschädigen kann. Die Hersteller starteten mit großen, mächtigen, teuren und starken E-Autos, um die Entwicklungskosten über hohe Margen wieder in die Kassen zu spülen. Bis heute gibt es nur ein E-Auto unter 20.000 Euro (Dacia Spring), erst
langsam folgen die kleinen günstigeren, Citroën steigt mit rund 23.300 Euro mit dem e-C3 ein, Volkswagen und Renault folgen in die 25.000-Euro-Klasse.
Die gute CO2-Bilanz (Laden, Produktion) ist nicht mehr als eine Schimäre und hängt von den jeweiligen Berechnungen ab, die nicht einheitlich sind. Das E-Auto ist nicht mehr, so weit ist inzwischen auch die Politik, automatisch klimaneutral. Und das Laden bleibt eine Wissenschaft mit seinen Dutzenden Tarifen. Die Politik hat es verabsäumt, die Energieanbieter, die Länder- und Bundesbesitz sind, auf Service zu trimmen. Südund Osteuropa hängen beim Ausbau der Infrastruktur hinterher, und bei uns dauern die Genehmigungsverfahren (Wind- und Wasserkraft) nach wie vor zu lange.
Die Kunden behalten ihre Verbrenner-Autos länger, weil sie verunsichert sind und sich die teure E-Mobilität nicht leisten können. Dazu kommt der ruinöse Rabatt-Kampf, den Tesla angestoßen und der Millionen an Restwerte vernichtet hat. Auch das immer wieder beschworene Argument, dass E-Autos beim Service günstiger seien, bewahrheitet sich nicht ganz. Der Autovermieter Hertz stößt deshalb 20.000 Elektroautos ab.
Inzwischen setzt sich der Hausverstand durch, dass es ein Mix aus unterschiedlichsten Antrieben sein müsse, damit man die CO2-Bilanz verbessert. Alle haben ihre Stärken und Schwächen, egal, ob es jetzt EFuels sind oder Wasserstoffantriebe. Eindrucksvoll hat die neue Sichtweise Bosch-Chef Stefan Hartung erklärt. Wenn man die jährliche Fertigungskapazität der Autoindustrie von rund 90 Millionen Fahrzeugen zugrunde lege und ab sofort nur noch E-Autos bauen würde, würde es mindestens 16 Jahre dauern, um die gesamte Fahrzeugflotte auszutauschen. Daher sei es plausibel, von mindestens der doppelten Anzahl an Jahren auszugehen. Das sagte er dem Portal „The Pioneer“.
Auch Vordenker des Wiener Motorensymposiums treten für Technologieoffenheit ein. Der weltweite Bedarf an Primärenergie für Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und andere Anwendungen sei bereits jetzt enorm und werde bis 2050 um 25 Prozent steigen, hier müsse man defossilisieren, rechnet Uwe Dieter Grebe, Vorstand bei AVL List vor. Er betont aber auch: Die politische Entscheidung für die Elektromobilität in Europa sei langfristig „absolut richtig“– mit nachhaltiger Stromproduktion. Das E-Auto ist damit nicht am Ende, aber auch nicht die einzige Lösung.
Rund um den Globus gibt es geschätzte 1,4 Milliarden Autos. Wenn man die jährliche Fertigungskapazität der weltweiten Autoindustrie von rund 90 Millionen Fahrzeugen zugrunde legt und ab sofort nur noch E-Autos baut, würde es mindestens 16 Jahre dauern, um die gesamte Fahrzeugflotte auszutauschen.
Stefan Hartung,
Chef des Autozulieferers Bosch