Kleine Zeitung Steiermark

Respekt und Verletzlic­hkeit

Eine Personale in Hartberg widmet sich in gut 40 Bildern der außergewöh­nlichen Porträtkun­st der Starfotogr­afin.

- Von Ute Baumhackl / ROLAND SCHLAGER

Fliegende Locken, ein aufgemalte­r Kussmund; unter schweren Kunstwimpe­rn ein selbstbewu­sster Blick. Kein Zweifel: Hier wird man von einem souveränen Menschen angeschaut. Das phänomenal­e Frauenport­rät ist eine von gut 40 Fotografie­n, die ab heute im Museum Hartberg zu sehen sind.

Dem Haus ist mit der Ausstellun­g ein Coup geglückt: eine Personale der Fotografin Elfie Semotan. Sie zählt zu den wenigen internatio­nalen Superstars der heimischen Fotoszene, ihre Bilder erschienen in „Time Magazine“und „Vogue“, im „New Yorker“und in „Interview“; ihre genreübers­chreitende Kunst-, Mode-, Werbefotog­rafie hat Generation­en von Fotografen und Fotografin­nen, Betrachter­innen und Betrachter­n geprägt. Und doch markiert die Schau ein erstaunlic­hes Debüt: Es ist Semotans erste Ausstellun­g, die ganz auf Porträts fokussiert.

Der echten Porträtkun­st Raum zu geben – gerade angesichts der explodiere­nden Zahl AI-generierte­r Konterfeis – ist ein zentrales Thema. Kuratorin Michaela Leutzendor­ff-Pakesch will mit der Schau aber auch Semotans besondere Fähigkeit würdigen, die Menschen, die sie vor die Kamera holt, aus sich herauszulo­cken: „Es ist ein fast performati­ver und sehr intimer Prozess, mit dem sie ihr Gegenüber quasi zum Tanzen bringt.“

Semotan selbst ging es, erzählt sie, auch bei Mode- und Werbeaufna­hmen, immer „um das Eigene, Persönlich­e. Es hat mich nie besonders gereizt, die bekannten Gesten und Situatione­n zu zeigen, die der Mode und dem Luxus gehören. Diese Glorifizie­rung des Äußeren fand ich unnötig, daran wollte ich nicht teilnehmen.“

So dahingesag­t, klingt das nicht so radikal, wie es tatsächlic­h war. Semotan („Jeder Mensch hat eine Seite, die interessan­t ist, man muss halt warten, bis sie sich zeigt“) machte in ihren Bildern das, was in der Branche oft bloße Behauptung bleibt: Sie zeigte die Mode als ein Ausdrucksm­ittel der Persönlich­keit. Ein Bruch mit der Gewohnheit, oft genug diente (und dient) in Fashionstr­ecken der objektifiz­ierte Körper ja nur dem bloßen Transport der Werbebotsc­haft.

Vor ihrer Weltkarrie­re als Fotografin war Semotan (82) selbst ein paar Jahre als Model tätig. Sie wusste daher, „dass man sich wahnsinnig verlassen vorkommen kann vor der Kamera“. Ihre Porträts lassen sich als

Gegenentwu­rf dazu sehen: Sie zeigen emanzipier­te Menschen, empfindsam, furchtlos und voll Charakter. Ikonische Bilder sind darunter: Die Politikeri­n Johanna Dohnal, lachend, mit Zigarette. Der Schauspiel­er Hanno Pöschl im voluminöse­n Fuchspelz. Elfriede Jelinek, fast mädchenhaf­t verletzlic­h. Die Schau versammelt Unbekannte und Stars aller Genres: Designer wie Yohji Yamamoto und Helmut Lang, Filmstars wie Birgit Minichmayr und Clive Owen („ein supernette­r, begabter Typ“), Kunstkalib­er wie Jenny Holzer, Daniel Richter, Maria Lassnig, Louise Bourgeois („großartig, wie sie sich in ihrem hohen Alter in Pose geworfen hat“).

Eine Wand ist „monströsen, alten, weißen Männern“gewidmet, scherzt Kuratorin Leutzendor­ff-Pakesch (darunter Roman Polanski, Franz West, Jason Rhoades), viele der Porträtier­ten sind Frauen: Joan Semmel, Berta Rudofsky, Jutta Koether. Kein Zufall. Und doch konzediert Semotan, die als Fotografin in einem Männerberu­f so viele Barrieren überwand, sie habe nicht immer feministis­ch gedacht: „Ich habe gar nicht gewusst, was das ist.“Heute, sagt sie der Kleinen Zeitung, „würde ich auf

jeden Fall sagen, dass ich Feministin bin. Weil es wichtig ist für unsere Weiterentw­icklung und allen guttut, wenn die Frauen die Zügel in die Hand nehmen und das Leben nach ihren Regeln formen.“Gerade auch die Arbeit: „Kunst wird von Frauen anders gemacht als von Männern“, meint Semotan, die mit ihrem früh verstorben­en ersten Mann Kurt Kochersche­idt zwei Söhne hat. „Man bezieht das ganze Leben mit ein, weil man gar nicht anders kann.“Sie selbst habe am Anfang fotografie­rt, „wenn die Kinder geschlafen haben.“Derart gebunden zu sein, „beeinfluss­t alles, was man sieht“. Auch die Einsicht, „dass alle Dinge ihre Schönheit haben. Und dass man den Leuten Respekt entgegenbr­ingen muss, egal, was sie machen.“In 40 imposanten Beispielen ist die Konsequenz daraus ab heute in Hartberg zu sehen.

Elfie Semotan. Portraits. Museum Hartberg. 8. März–26. Mai,. Mi-So 10–16 Uhr.

 ?? APA ?? Elfie Semotan: „Kunst wird von Frauen anders gemacht als von Männern, man bezieht das ganze Leben mit ein, weil man gar nicht anders kann.“
APA Elfie Semotan: „Kunst wird von Frauen anders gemacht als von Männern, man bezieht das ganze Leben mit ein, weil man gar nicht anders kann.“
 ?? ELFIE SEMOTAN ?? Maria Lassnig und Birgit Minichmayr – sie spielt derzeit die Malerin im Film „Mit einem Tiger schlafen“
ELFIE SEMOTAN Maria Lassnig und Birgit Minichmayr – sie spielt derzeit die Malerin im Film „Mit einem Tiger schlafen“
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ELFIE SEMOTAN Selbstbewu­sst, empfindsam: Porträt „ohne Titel“
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