„Schubladen werden den vielen Variablen in mir nicht gerecht“
Hania Rani, polnische Musikerin und internationaler Star der „New Classic“, präsentiert im Orpheum ihr neues Album „Ghosts“.
Ihre Musik wird dem Genre „Neue Klassik“zugeordnet. Ist das eine korrekte Zuordnung oder nur ein Etikett?
Niemand mag es, in eine Schublade gesteckt zu werden, und ich bin da keine Ausnahme. Besonders nach der Veröffentlichung meines aktuellen Albums „Ghosts“passt der Begriff „Neue Klassik“nicht mehr wirklich zu meiner Musik. Ich hoffe, dass mein Interesse an Veränderung und Entwicklung irgendwann dazu führen wird, dass meine Musik einfach als „Hania Rani“bezeichnet wird, denn Schubladen werden den vielen Variablen, die in mir stecken, nicht gerecht.
Sie kommen aus Polen, einem sehr religiösen Land. Welchen Einfluss hat Religion auf Ihre Musik?
Es ist schwer zu sagen, aber ich würde zustimmen, dass meine Zeit in der Kirche als Kind und das Genießen der Kirche als Gebäude mit einer sehr spezifischen Akustik einen Einfluss auf meine Beziehung zu Klang und Raum hatte. Sehr bald, nachdem meine Eltern mich in die Musikschule geschickt hatten, lernte ich Bach und andere Barockkomponisten und ihr Verhältnis zur Architektur kennen, was mich definitiv inspirierte.
Sie haben bereits zehn Alben aufgenommen, aber Ihr neues Album „Ghosts“ist eine ziemliche Überraschung. Es ist das erste Mal, dass Sie singen. Was ist der Unterschied zwischen diesem Album und den Alben davor?
Ich habe bereits auf meinem zweiten Album „Home“, das 2020 veröffentlicht wurde, gesungen. Aber ich denke, „Ghosts“hat meine Stimme viel präsenter gemacht, und ich gehe selbstbewusster damit um. Ich wollte wirklich, dass dieses Album all mein Wissen und meine Erfahrungen widerspiegelt, die ich in den letzten fünf Jahren gesammelt habe, aber auch ungewöhnliche Ideen erkunden. Ich finde, dass jede Künstlerin und jeder Künstler Zeit braucht, um sich niederzulassen, um zu verarbeiten und seinen Kopf freizubekommen, um in der Lage zu sein, einen „vollständigen Satz“zu formulieren.
Ja, das tue ich. Aber ich verstehe „Geister“eher als Erinnerungen oder Geschichten, die von Menschen hinterlassen wurden, die vor uns da waren. Ich fühle es besonders, wenn ich bestimmte Orte besuche, ein altes Gebäude mit einer lebendigen Geschichte etwa, wo man
sofort das Gewicht all der Dinge spüren kann, die im Laufe der Zeit passiert sind.
Welche musikalischen Vorbilder haben Sie?
Ach, so viele, angefangen beim Jazz, den ich als Teenager verschlungen habe: Brad Mehldau, das Esbjorn Svensson Trio, Miles Davis, Dave Brubeck. Später kamen Enya, The Smile oder James Blake dazu. Aus dem klassischen Bereich ist Bach mein Favorit; natürlich Chopin, wegen meiner polnischen Wurzeln, aber auch Schubert, Beethoven, Brahms, Ravel, Debussy.
Was erwartet das Publikum bei Ihrem Konzert in Graz?
Wir bringen das komplette „Ghosts“-Erlebnis nach Graz – mit speziell entworfenen Lichtern und Visuals. Ich werde Stücke aus dem Album spielen, aber auch einige neue und alte Schätze. Ich werde auf der Bühne von meinem Freund und Musiker Ziemowit Klimek, der auf dem Moog-Synthesizer und dem Kontrabass spielt, begleitet.