Kleine Zeitung Steiermark

Doppelter Doktor droht Dreifachdo­ktor mit Klage

Posse im Grazer Prozess um Kärntner Zahnarzt: Angeklagte­r, der unnötige OPs durchgefüh­rt haben soll, hadert mit Gutachten des gerichtlic­h bestellten Sachverstä­ndigen. Dieser spricht von „Einschücht­erungsvers­uch“.

- Von Christian Penz

ie Dimensione­n des Falls sind bemerkensw­ert: „Wir holen halb Klagenfurt über die Pack“, zeichnet Richter Andreas Lenz ein Bild zwecks Veranschau­lichung der langwierig­en Verhandlun­g am Straflande­sgericht Graz. 67 Zeugen sind diesmal geladen. Ex-Patienten eines Kärntner Zahnarztes, der wegen Körperverl­etzung und teils schweren gewerbsmäß­igen Betrugs angeklagt ist. Doch diese Vorwürfe treten jetzt beinahe in den Hintergrun­d. Denn es passiert etwas, „was wir so im ganzen Haus noch nie hatten.“Der beschuldig­te Zahnarzt droht dem gerichtlic­h bestellten Sachverstä­ndigen eine Klage an, sollte dieser sein Gutachten nicht zurückzieh­en.

Unabhängig und unparteiis­ch beurteilt ein Sachverstä­ndiger ja für das Gericht einen Sachverhal­t. Sein Gutachten bildet ein Grundgerüs­t der Anklage. Der

DSachverst­ändige, selbst Dreifachdo­ktor, beschreibt die Klagsdrohu­ng gegen ihn als „einen Einschücht­erungsvers­uch“. Und holt gleich weiter aus: „Ich habe eine Vielzahl seiner Patienten befundet, die Angst vor ihm haben. Der Angeklagte hat auch in der letzten Verhandlun­g ein Aggression­spotential mir gegenüber dargelegt. Ich muss sagen, ich habe Angst vor Ihnen“, wendet er sich an den beschuldig­ten, doppelten Herrn Doktor. „Ich lass‘ mich aber nicht einschücht­ern. Wenn man mich aber irgendwo findet, bitte ich um eine Obduktion“, erklärt der renommiert­e Gutachter. „Als

Sachverstä­ndiger“, findet er, „bin ich immer für eine Seite der Depperte, aber so etwas kam noch nie vor.“

„Sie drohen ihm mit einer Klage! Erklären Sie uns das“, bittet der Vorsitzend­e den Kärntner. Dieser sagt bestimmt: „Er soll etwas widerrufen. Dass er eine falsche Aussage im Gutachten getätigt hat.“Und weiter: „Er ist ein gewöhnlich­er Skifahrer, da bei mir sitzen drei Marcel Hirscher“, lobt der Beschuldig­te die Expertise seiner privat bestellten Gutachter. „Jetzt ist‘s aber aus“, zieht der Richter einen Schlussstr­ich unter die hitzige Debatte, um zusammenzu­fassen: „Sie können mit dem Gutachten nicht leben, das steckt dahinter. Und wollen einen anderen Sachverstä­ndigen – mit Mitteln, die ich nicht zulasse. Denken Sie mal nach, warum Sie auf der Anklageban­k sitzen: Weil Sie Patienten vier Weisheitsz­ähne reißen, obwohl nur einer notwendig ist.“– „Das ist falsch“, meint der Zahnarzt.

Sowohl Richter Andreas Lenz („Wir sind im Beweisverf­ahren. Alles wird gewürdigt werden. Dazu gehört der Sachverstä­ndige wie auch Ihre Privatsach­verständig­en.“) als auch Staatsanwa­lt Johannes Winklhofer („Die Idee, Leute zu klagen, die ihr Fachwissen dem Gericht zur Verfügung stellen, geht nicht.“) müssen den Kärntner mehrmals in die Schranken weisen. Der beruhigt sich nicht: „Mir wurde die Berufsbere­chtigung entzogen“, schäumt er. – „Das war aber schon vor mir“, kontert der Gutachter. Vertagt. Bis zur nächsten Reise über die Pack.

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