Doppelter Doktor droht Dreifachdoktor mit Klage
Posse im Grazer Prozess um Kärntner Zahnarzt: Angeklagter, der unnötige OPs durchgeführt haben soll, hadert mit Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen. Dieser spricht von „Einschüchterungsversuch“.
ie Dimensionen des Falls sind bemerkenswert: „Wir holen halb Klagenfurt über die Pack“, zeichnet Richter Andreas Lenz ein Bild zwecks Veranschaulichung der langwierigen Verhandlung am Straflandesgericht Graz. 67 Zeugen sind diesmal geladen. Ex-Patienten eines Kärntner Zahnarztes, der wegen Körperverletzung und teils schweren gewerbsmäßigen Betrugs angeklagt ist. Doch diese Vorwürfe treten jetzt beinahe in den Hintergrund. Denn es passiert etwas, „was wir so im ganzen Haus noch nie hatten.“Der beschuldigte Zahnarzt droht dem gerichtlich bestellten Sachverständigen eine Klage an, sollte dieser sein Gutachten nicht zurückziehen.
Unabhängig und unparteiisch beurteilt ein Sachverständiger ja für das Gericht einen Sachverhalt. Sein Gutachten bildet ein Grundgerüst der Anklage. Der
DSachverständige, selbst Dreifachdoktor, beschreibt die Klagsdrohung gegen ihn als „einen Einschüchterungsversuch“. Und holt gleich weiter aus: „Ich habe eine Vielzahl seiner Patienten befundet, die Angst vor ihm haben. Der Angeklagte hat auch in der letzten Verhandlung ein Aggressionspotential mir gegenüber dargelegt. Ich muss sagen, ich habe Angst vor Ihnen“, wendet er sich an den beschuldigten, doppelten Herrn Doktor. „Ich lass‘ mich aber nicht einschüchtern. Wenn man mich aber irgendwo findet, bitte ich um eine Obduktion“, erklärt der renommierte Gutachter. „Als
Sachverständiger“, findet er, „bin ich immer für eine Seite der Depperte, aber so etwas kam noch nie vor.“
„Sie drohen ihm mit einer Klage! Erklären Sie uns das“, bittet der Vorsitzende den Kärntner. Dieser sagt bestimmt: „Er soll etwas widerrufen. Dass er eine falsche Aussage im Gutachten getätigt hat.“Und weiter: „Er ist ein gewöhnlicher Skifahrer, da bei mir sitzen drei Marcel Hirscher“, lobt der Beschuldigte die Expertise seiner privat bestellten Gutachter. „Jetzt ist‘s aber aus“, zieht der Richter einen Schlussstrich unter die hitzige Debatte, um zusammenzufassen: „Sie können mit dem Gutachten nicht leben, das steckt dahinter. Und wollen einen anderen Sachverständigen – mit Mitteln, die ich nicht zulasse. Denken Sie mal nach, warum Sie auf der Anklagebank sitzen: Weil Sie Patienten vier Weisheitszähne reißen, obwohl nur einer notwendig ist.“– „Das ist falsch“, meint der Zahnarzt.
Sowohl Richter Andreas Lenz („Wir sind im Beweisverfahren. Alles wird gewürdigt werden. Dazu gehört der Sachverständige wie auch Ihre Privatsachverständigen.“) als auch Staatsanwalt Johannes Winklhofer („Die Idee, Leute zu klagen, die ihr Fachwissen dem Gericht zur Verfügung stellen, geht nicht.“) müssen den Kärntner mehrmals in die Schranken weisen. Der beruhigt sich nicht: „Mir wurde die Berufsberechtigung entzogen“, schäumt er. – „Das war aber schon vor mir“, kontert der Gutachter. Vertagt. Bis zur nächsten Reise über die Pack.