Narzissten erkennen
Wer sich selbst einen Schritt zu nahe ist, ist dem anderen einen Schritt zu fern.
Achten Sie beim Plaudern drauf, wer mehr Redeanteil hat. Über einen längeren Zeitraum sollte der ausgewogen sein.
Narzissten überall. Seit fünf, sechs Jahren begegnet man denen an jeder Straßenecke. So häufig hört man das Wort, dass dieser Eindruck entsteht. Aber können wir uns drauf einigen, dass die nicht alle so plötzlich aufgetaucht sind? Vielmehr ist es so, dass mit Donald Trump ein Promi aufgetaucht ist, bei dem ein paar JournalistInnen und PsychologInnen aus weiter Ferne Narzissmus diagnostiziert haben. Na, das klang doch mal catchy. Der Patient und die Diagnose waren so griffig, dass das Wort Narzissmus alsbald in den täglichen Sprachgebrauch überging. Und so ist ein weiteres Wort aus der klinischen Psychologie in den subklinischen Bereich gewandert. Wir bezeichnen so jeden, der uns nicht ganz genehm ist. Früher hätte man solche Menschen vielleicht als EgozentrikerInnen bezeichnet oder als rücksichtslos und unempathisch. Heute eben als Narzissten. Mir ist zwar bei so sorglosem Umgang mit klinischen Diagnosen immer unwohl, aber okay, soll so sein. Das Ergebnis ist nämlich das gleiche. Wir haben es mit einem Menschen zu tun, der offensichtlich mehr Interesse an sich und seiner Wirkung hat als an anderen Menschen. Wie aber erkennt man die? Nun, ganz einfach. Plaudern Sie mit denen! Beim Bewerbungsgespräch, beim Tratsch oder beim ersten
Date. Sie offenbaren sich recht schnell. Wer nämlich nur über sich und seine Erfahrungen, seine Meinungen und seine Persönlichkeit spricht, aber niemals wirklich eine Frage zum Gegenüber stellt, ist zumindest mal verdächtig. Klar ist jeder Mensch mal so euphorisch, aufgewühlt oder berührt, dass er sein Thema einfach nur loswerden will und keine Ressourcen hat, sich für sein Gegenüber zu interessieren. Unempathische Menschen aber machen das zum Programm. Und die Körpersprache gibt natürlich einen hervorragenden Hinweis, weil sie passiert, bevor es uns bewusst wird. Selbst wenn der Egoist also seine Worte (kurz) im Zaum hält, verraten seine nonverbalen Signale oft sein eigentliches Ansinnen. Sollten Sie nämlich am Wort sein,
Ihre Meinung kundtun, erkennen Sie bei ichsüchtigen Menschen sehr schnell die Ungeduld am unsteten Blickkontakt, dem Zucken um die Mundwinkel oder am Herumrutschen am Stuhl. Alles schreit: „Du stiehlst mir meine Redezeit!“
Stefan Verra ist Körpersprache-Experte.