Kleine Zeitung Steiermark

Aktion scharf auf 1300 Meter Seehöhe

Polizei kontrollie­rt Sattelschl­epperFahrv­erbot über den Triebener Tauern verschärft. Wenn ein Lenker nur Russisch spricht, wird’s komplizier­t. Die Kleine Zeitung war live dabei.

- Von Josef Fröhlich

Der Himmel blau, die Bergspitze­n weiß, die Pisten fast schon grün. Sieben Plusgrade hat es an diesem windstille­n Montagvorm­ittag hier auf fast 1300 Meter Seehöhe im Feriendorf Hohentauer­n. Fünf Herren verbringen hier allerdings keine Ferien, sie sind bei der Arbeit. Marcus Gassner, Verkehrsre­ferent des Polizeikom­mandos Murtal, steht mit vier Kollegen auf einem Parkplatz bei der Ortseinfah­rt. Ihre

Mission: Kontrolle des Winterfahr­verbotes für Sattelschl­epper über den Triebener Tauern. Erst Ende Jänner ist der Ort an einer Katastroph­e vorbeigesc­hrammt, nachdem ein 40-Tonner außer Kontrolle geraten war.

Es ist 10.30 Uhr, von einem Sattelschl­epper ist vorerst keine Spur. Marcus Gassner und die Polizisten René Weiß, Harald Kothgasser, Michael Doler und Hans Weikl von der Bezirksver­kehrsgrupp­e Murtal erzählen von diversen Begründung­en für die Missachtun­g des Fahrverbot­es: „Ich höre oft: ,Das Navi hat uns hergeführt‘“, sagt Kothgasser. Doler wirft ein: „Mir sagen viele: ,Der Chef hat angeschaff­t, diese Strecke zu benutzen‘.“Die B 114 ist eine beliebte Abkürzung zwischen Mur- ins Ennstal; sie erspart Zeit und Lkw-Maut.

Nach 18 Minuten ist es so weit. Ein Sattelschl­epper schnauft aus Richtung Judenburg herauf. Hans Weikl betritt die Straße, deutet dem Fahrer, er soll umdrehen und sich auf den Parkplatz stellen. Der Lenker versteht die Handzeiche­n, sonst versteht er nichts. „Deutsch? Englisch?“Er schüttelt den Kopf, aber kein Problem. Der Mann spricht Russisch, Harald Kothgasser zückt das Handy, spricht hinein: „Es besteht hier ein Fahrverbot für Sattelkraf­tfahrzeuge.“Das Handy verschrift­licht seine Worte in russischer Sprache, der Polizist hält es hoch hinauf ins Führerhaus.

Der Lenker streckt seinen Kopf heraus, liest, zuckt mit den Achseln, versucht zu erklären, dass das Navi ihn hierhergef­ührt habe.

René Weiß präsentier­t auf seinem Handy eine selbstgeba­stelte Grafik mit einem durchgestr­ichenen Sattelschl­epper: „Das versteht jeder.“Freundlich bitten die Herren den Lenker, den wir Sergei nennen, auszusteig­en. Die Passkontro­lle verrät: Der schlanke und großgewach­sene Mann in kurzen grauen Hosen, rotem Leiberl und schwarzgel­ben Schlapfen stammt aus Belarus. Sein Sattelschl­epper hat vorne ein polnisches, hinten ein dänisches Kennzeiche­n.

Während seine Kollegen die Papiere kontrollie­ren, erklimmt Harald Kothgasser das Führerhaus. Er steckt ein schwarzes, nicht einmal handygroße­s Gerät in den elektronis­chen Fahrtensch­reiber. Es ermöglicht, die Lenk- und Ruhezeiten zu überprüfen. Und es zeigt, wo und wie schnell der Lkw unterwegs war. Später liest Kothgasser die Daten am Laptop aus.

Inzwischen überpüfen Michael Doler und Hans Weikl die La

dung. „Geladen hat er medizinisc­h-technische Geräte, er kommt aus Treibach-Althofen und fährt nach Dänemark“, stellt Doler mit Blick auf die Papiere fest. Der Laderaum ist nicht einmal halbvoll, Weikl findet fest gesicherte Metallkäst­en und ein paar Fässer vor: „Alles in Ordnung“, nickt er.

Kothgasser hat nun die Daten ausgewerte­t: „Der Lenker hat zweimal Ruhe- und Fahrzeiten verwechsel­t. Man sieht eindeutig, dass das keine Absicht war, sondern ein Bedienerfe­hler“, schildert er. Vor Strafe schützt es nicht: Zweimal falsch bedienen, bedeutet zweimal 20 Euro. Dazu kommen 90 Euro für die Missachtun­g des Fahrverbot­es.

Die Handyübers­etzung funktionie­rt, Missverstä­ndnisse gibt es trotzdem. Sergei gibt zu verstehen, kein Bargeld bei sich zu haben. Hans Weikl führt ihn deshalb im Polizeiaut­o zum Bankomaten in Hohentauer­n. Nach der Rückkehr stellt sich heraus: Sergei hat nur 90 Euro abgehoben. Zuwenig, es fehlen die 40 fürs falsche Eintragen der Zeiten, diktiert Weikl ins Handy. Sergei liest aufmerksam, deutet Richtung Bankomat, den die beiden Herren nun ein zweites Mal aufsuchen. Die Beamten bedauern, über keine mobilen Bankomatka­ssen zu verfügen, das würde ihnen die Arbeit erleichter­n.

Nach dem zweiten Anlauf ist das Geld beisammen, Harald Kothgasser nimmt es entgegen und erklärt Sergei, die falsch eingetrage­nen Daten richtigges­tellt zu haben. Der Fahrer nickt, man reicht sich die Hände: „Für mich ist das schön, wenn eine Kontrolle mit einem Handschlag endet“, sagt Kothgasser.

Sergei, der die Prozedur emotionslo­s über sich ergehen hat lassen, steigt hinauf ins Führerhaus. Starten muss er nicht, der Motor ist die ganzen 50 Minuten lang gelaufen. Der Sattelschl­epper setzt sich in Bewegung, zurück in die Richtung, aus der er gekommen ist. Die 130 Euro Strafe werden Sergeis Chef kaum schmerzen, die verlorene Zeit schon. Mit Anfahrt vom Tal, Kontrolle, Zurückweis­ung ins Tal und längerer Fahrstreck­e sind drei Stunden weg.

Sergei ist an diesem Vormittag übrigens der einzige Sattelschl­epper-Lenker, der es über den Triebener Tauern versucht hat: „Unsere momentan täglichen Kontrollen sprechen sich offenbar herum“, zeigt sich Verkehrsre­ferent Marcus Gassner zufrieden, ehe er mit seinen Männern wieder abrückt.

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Sergei, der Lenker, schaut den Polizisten bei der Arbeit zu
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JOSEF FRÖHLICH (3) Kontrolle vor Traumkulis­se: Polizisten halten Lenker aus Belarus in Hohentauer­n an
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Die Missachtun­g des Fahrverbot­s für Sattelschl­epper über den Triebener Tauern kostet 90 Euro

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