Der ungeklärte Massenmord
Der größte Massenmord in der Steiermark durfte nicht aufgeklärt werden. Das Verfahren wurde niedergeschlagen. Die Schuldigen blieben auf freiem Fuß.
Zwei Monate nach Kriegsende 1945 war das Gefängnis des Leibnitzer Bezirksgerichtes vollgestopft mit über 200 Häftlingen. Die meisten waren unschuldig, hatten sich nichts zuschulden kommen lassen, wie sich später herausstellen sollte. Sie wurden von den eigenen Landsleuten, die sich selbst schützen wollten, denunziert. Die Bevölkerung war eingeschüchtert, die Angst vor „Vernaderung“war groß. Auch ehemalige Nazis wechselten nach Kriegsende die Seiten. Über Nacht wurden sie zu „Marxisten“, die „Säuberungen“zum eigenen Vorteil unterstützten.
In Leibnitz entstand eine 18köpfige Gruppe, die sich „Freiheitsbewegung“(auch Bezirksrat) nannte. Sie bestand aus jeweils sechs ÖVP-, SPÖ-, und KPÖMitgliedern und hatte in Leibnitz das Sagen. Die Männer erstellten Listen, ließen Menschen verhaften, lieferten sie den TitoTruppen
aus. Am 19. Juni um drei Uhr nachts öffneten sich die Gefängnistore. Der Kerkermeister hielt ein Blatt Papier in der Hand und begann Namen aufzurufen: „Tomaschitz, Albustin, Kellner, Freidl … fertig machen“, forderte er die Häftlinge auf – insgesamt 45 Männer.
Mithäftlinge beobachteten durch das vergitterte Fenster, wie sie auf Lastwagen verladen und abtransportiert wurden. Es war Sonntag – und zahlreiche Passanten auf dem Weg zur Kirche begegneten im Bereich Karwald hektischen Soldaten. Dann stießen sie auf eine Straßensperre und mussten einen Umweg gehen. „Da geschieht etwas“, bemerkte einer der Kirchgeher, und einer Frau fiel ein jugoslawischer Soldat auf, der mit einer Schaufel Richtung Wald ging. Aber niemand traute sich, Fragen zu stellen.
Erst im August 1945 wurde der Massenmord entdeckt. Als im Beisein eines Richters und Gerichtsmediziners die Erde abgetragen wurde, bot sich den Anwesenden ein grauenvoller Anblick: In nur einem Meter Tiefe lagen 20 Leichen. Die Opfer waren mit Telefondrähten gefesselt und aneinandergebunden. Alle waren durch Genickschüsse ermordet worden. Im Loch daneben lagen vier Tote mit zertrümmerten Köpfen.
Nur ein Toter konnte mit Sicherheit identifiziert werden: Josef Tomaschitz, ehemaliger Kreisleiter von Leibnitz, der einige Menschen vor dem KZ der Nazis bewahrt haben soll. Bei einem weiteren Opfer wurde ein Taufschein mit dem Namen Franz Koren gefunden. 20 weitere Häftlinge aus dem Bezirksgericht Leibnitz konnten nie gefunden werden.