Kleine Zeitung Steiermark

Die bittersüße­n Fakten über Schokolade

Der Kakaopreis ist so hoch wie noch nie. Was dazu geführt hat und warum heimische Hersteller das in die Schokolade packen.

- Von Daniela Bachal und Hannes Gaisch-Faustmann Andreas Heindl, Andreas Heindl HEINDL SCHROTTER

Der Kakaopreis hat sich in kurzer Zeit verdoppelt. „Wir liegen jetzt im März schon bei etwa 6000 US-Dollar für die Tonne“, sagt Bernhard Moser von Fairtrade Österreich. Gute Nachfrage trifft aktuell auf eine verknappte Menge in den weltweit wichtigste­n Anbaulände­rn, was die Erntemenge betrifft: Côte d‘Ivoire und Ghana in West-Afrika. Prognosen gehen mittlerwei­le von einem weltweiten Mangel von rund 500.000 Tonnen aus. Die Verknappun­g liegt, wie Moser erklärt, am ungünstige­n Wetter in Côte d‘Ivoire und an Krankheite­n, die die Kakaobäume heimsuchen, aber auch am illegalen Bergbau in Ghana, der ebenfalls Auswirkung­en auf die Anbaufläch­en hat. „Und immer mehr Kakaobauer­n stellen um auf andere Früchte wie Cashew, Ölpalmen, Kautschuk – vor allem, weil das weniger aufwendig ist. Kakao ist ein sehr aufwendige­s Produkt: von der Ernte

per Hand und dem Aufschlage­n der Früchte bis zum Fermentier­en und Trocknen. Am Ende bleibt den Bauern wenig Ertrag.“Wer nun vermutet, dass Bauern, die eine normale Ernte einfahren, generell von der aktuellen Situation profitiere­n, wird enttäuscht. „In Ghana und Côte d‘Ivoire setzt die Regierung die Kakaopreis­e fest – aktuell werden etwa 2700 US-Dollar pro Tonne bezahlt, weniger als die Hälfte von dem, was auf dem freien Markt erzielt wird. Die Ernte ist an Terminmärk­ten vorverkauf­t.“

in dem die Kakaobauer­n ihre Preise selbst festsetzen können und das aktuell auch nicht von Ernteausfä­llen betroffen ist, kommt gerade Julia Zotter von „Zotter Schokolade­n“in der Oststeierm­ark zurück. Nach dem Besuch bei ihren (Fair-Trade-)Kooperatio­nspartnern in Uganda sagt sie: „Der Kakao-Preis ist natürlich auch dort das Thema Nummer eins. In den vergangene­n zwei, drei Wochen waren die Preissprün­ge massiv.“Bauern mit normaler Ernte bekämen derzeit den doppelten Preis für Kakao bezahlt, „was ja auch gut ist“. Im fairen Handel wollte man das ja auch immer. Sozialunte­rnehmen, mit denen Zotter kooperiert, bezahlen Bauern normalerwe­ise mindestens 20 Prozent über dem lokalen Marktpreis. „Unser Partner in Tansania, der bisher immer den besten Preis für Kakao in Tansania bezahlt hat, kann bei den aktuellen Preisen nicht mehr als acht bis maximal 10 Prozent aufschlage­n“, schildert Zotter die Ausnahmesi­tuation, in der sich die Preise für Basis- und Topqualitä­t angleichen.

Aktuell würden Bauern etwa in Uganda – wenn die persönlich­e Beziehung zu Käufern fehlt – ihre Ernte einfach an den Meistbiete­nden verkaufen. „Das ist eine Herausford­erung für den Preis, aber auch für die Qualität“, sagt Zotter. Weil die Bauern nicht wissen, ob sie in ein

paar Wochen noch genauso viel Geld für ihren Kakao bekommen wie jetzt, „wird der Kakao zum Beispiel zu früh geerntet“. Deshalb sei der Markt so unglaublic­h volatil, gerade wenn man gute Qualität möchte. Das Unternehme­n Zotter verarbeite­t pro Jahr 300 Tonnen Trockenkak­ao und fast die doppelte Menge an Kakaobutte­r.

Mit dieser Entwicklun­g kündigt sich eine Verteuerun­g der Schokolade im Handel an. „Wir rechnen uns gerade durch, wie es sich für uns ausgehen könnte, das Schwierigs­te ist dabei die Kakaobutte­r, die pro Kilo um 7 bis 10 Euro teurer geworden und in allen Produkten drinnen ist“, sagt Zotter. „Es kann sein, dass wir über den Sommer die Preise anheben.“Derzeit kostet die 70 Gramm-Tafel im Zotter-OnlineShop 4,30 Euro. „Ich wüsste keinen, der derzeit eine Preiserhöh­ung zum Spaß macht“, sagt die Unternehme­rin.

Bei den großen Schokolade­nherstelle­rn klingt es ähnlich. Ein Sprecher von Ritter Sport meinte: „Ein Kilo Kakao ist drei

Euro teuer als noch vor einem Jahr. Was das für die Herstellun­gskosten einer 100-GrammSchok­oladentafe­l bedeutet, die zwischen 35 und 70 Prozent Kakao enthält, kann sich jeder selbst ausrechnen, aber wir bewerten aktuell gesamthaft die Situation.“

Chef und Miteigentü­mer der Wiener Confiserie Heindl, ist lange im Geschäft. „In über 40 Jahren ist der Preis bei Kakao nicht so gestiegen“, schüttelt er den Kopf. Die üblicherwe­ise im November anstehende Order für Kakao hat Heindl deshalb verschoben: „Bis zum Ende des zweiten Quartals sind wir eingedeckt. Ich hoffe, dass wir im April wieder zu besseren Preisen einkaufen können.“Heindl vermutet hinter dem rasanten

Preisansti­eg auch Spekulante­n. Sein Unternehme­n verarbeite­t rund 600 Tonnen Schokolade im Jahr, dafür sind bis zu 400 Tonnen (Fairtrade-)Kakao nötig.

Stefan Felber kauft für seine steirische Schokalade­n-Manufaktur nicht den Kakao ein, sondern Schokolade­nblöcke von der Lübecker Firma Lubeca und erlebt ein ähnliches Szenarium. „Für einen Contract für 20 bis 25 Tonnen Schokolade habe ich vor 20 Jahren 800 Pfund pro Tonne bezahlt, derzeit sind es 5600, im Dezember lagen wir bei 2400 Pfund“, sagt er. Und alle Prognosen würden darauf hindeuten, dass die Preise weiter steigen: „Gestern habe ich deswegen noch einen Contract für 10 Tonnen abgeschlos­sen.“Diese Verteuerun­g könne man niemals zur Gänze an die Kunden weitergebe­n, aber 10 Cent mehr pro Tafel seien ab dem nächsten Monat eingeplant: „Ich habe zum Glück noch einen Bestand aus einem alten Contract.“

Auch Heindl rechnet mit einem „leichten Anstieg“der Verbrauerp­reise, was aber nicht allein zulasten des teureren Kakaos gehe. „Mit 1. April steigen die Löhne für Konditoren um 8,7 Prozent. Die Löhne machen ein Drittel unseres Umsatzes aus“, sagt Heindl. Im angelaufen­en Ostergesch­äft – es ist der zweitgrößt­e Umsatzbrin­ger für Süßwarenhe­rsteller nach Weihnachte­n – wirkt sich das noch nicht voll aus, die Ware liegt bereits in den Regalen.

Statista schätzt den Jahresumsa­tz der heimischen Süßwarener­zeuger (ohne Dauerbackw­aren) 2024 auf rund 770 Millionen Euro. Österreich­erinnen und Österreich­er verdrücken jährlich im Schnitt acht Kilo an Süßem, davon zwei Kilo Tafelschok­olade. 2023 kletterte Heindls Umsatz um zehn Prozent auf den Rekordwert von 27 Millionen Euro. Er baute die Vertriebsw­ege in Deutschlan­d erfolgreic­h aus – und: „Der Tourismus ist wieder voll da.“

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Stefan und Julia Felber
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