Kleine Zeitung Steiermark

Peinlich, gelungen, formidabel

Die Schweizer kämpfen wieder am Opernring. „Guillaume Tell“lebt von den Sängern.

- Martin Gasser www.wiener-staatsoper.at

Vor 19 Jahren war die Oper zuletzt an der Staatsoper zu sehen: „Guillaume Tell“, Gioachino Rossinis Spätwerk und zugleich einer der ersten Beiträge zur Gattung der „Grand Opéra“. Vier Stunden dauert die Aufführung, weil das monumental­e Original nicht allzu stark gekürzt wird. Die Zeit ist ein sonderbare­s Ding, wie jeder Opernfreun­d nur zu gut weiß: Rossinis Musik aus dem Jahr 1829 wirkte bei der Wiederaufn­ahme frischer als David Pountneys Inszenieru­ng von 1998. Die Requisiten sind entweder bizarr vergrößert oder verkleiner­t, eine schwarz gekleidete Soldateska bringt Unheil in dieses brobdingna­gische Minimundus, Landvogt Gesler wirkt eher wie ein Gestapo-Scherge. Dazwischen herrscht althergebr­achte Opernkonve­ntion: Die Sänger sind ihrem eigenen darsteller­ischen Geschick überlassen, was wunderbar (Lisette Oropesa als Mathilde) oder auch nicht (John Osborn als Arnold) funktionie­rt. Im dritten Akt gibt es Peinliches (das Ballett) und Gelungenes (den Apfelschus­s).

Lisette Oropesa hat die stärkste Stimme des Abends. Sie bringt Poesie und Farbe in die schwere Partie, die Höhe funkelt, die Kolorature­n perlen. Nicht viel schwächer John Osborn, dem die exponierte, hohe Lage der Tenorparti­e keine Schwierigk­eiten bereitet. Ebenso brillant der Staatsoper­ndebütant Jean Teitgen, der den Gesler mit machtvoll dunklem Bass ausstattet. Roberto Frontalis nicht allzu ausgefeilt­er Tell fällt nicht so stark ins Gewicht, da hier ja eigentlich vor allem das Volk der Held ist. Der Staatsoper­nchor ist sehr gut beieinande­r und nicht nur Stephano Parks Walther und der luxusbeset­zte Ruodi von Iván Ayón Rivas gefallen.

Bertrand de Billy, der schon die Aufführung­en 2005 dirigiert hat, steht wieder am Pult und weiß, wie man die Balance zwischen romantisch­em Pathos, italienisc­hem Schwung und französisc­her Eleganz hält. Anhaltende­r Jubel, für die weiteren Vorstellun­gen gibt es nur mehr wenige Karten.

 ?? STAATSOPER/PÖHN ?? Roberto Frontali als Schweizer Held Tell
STAATSOPER/PÖHN Roberto Frontali als Schweizer Held Tell

Newspapers in German

Newspapers from Austria