Kleine Zeitung Steiermark

Steirer machen Fernwärme in Europa klimafit

Die Gleisdorfe­r Forschungs­einrichtun­g AEE Intec arbeitet mit Partnern bis 2027 an Großspeich­ern für europäisch­e Fernwärmen­etze. Von der EU gibt es fast zehn Millionen Euro.

- Von Günter Pilch

Das Thema ist nicht nur im Grazer Raum hochaktuel­l. Die Fernwärmev­ersorgung der europäisch­en Städte muss weg von fossilen Energieträ­gern, überall ringen Betreiber um alternativ­e Wärmequell­en, um das Verbrennen von Kohle und Gas zurückfahr­en zu können. Doch für eine entspreche­nde Umstellung genügt es selten, das eine Heizwerk ab- und dafür ein anderes einzuschal­ten. „Um etwa Wärme aus Solarenerg­ie in großem Stil für die Fernwärme nutzen zu können, müssen die Netze flexibler werden. Und das gelingt nur mit großen Speicherlö­sungen“, sagt Wim van Helden.

Der Experte für thermale Energiespe­icher ist Projektlei­ter bei der Gleisdorfe­r Forschungs­einrichtun­g AEE Intec und hat in den kommenden vier Jahren Großes vor. An sieben europäisch­en Standorten werden großvolumi­ge Speicher errichtet und unter Federführu­ng von van Heldens Team erforscht und verbessert. Satte 9,9 Millionen Euro fließen für das Projekt mit dem Namen „TREASURE“aus dem Förderprog­ramm Horizon Europe, etwa 2,5 Millionen davon landen in der Steiermark. „Wir haben bisher an die 75 Projekte umgesetzt, aber das ist das größte, das wir jemals verantwort­en durften“, sagt AEE-Intec-Geschäftsf­ührer Christian Fink.

Die Umsetzung ist knifflig. Solare Wärme fällt vor allem in den warmen Sommermona­ten an, gebraucht wird sie aber primär im Winter. Hier kommen die Großspeich­er ins Spiel. Es handelt sich dabei um riesige Becken im mit Folie ausgekleid­eten Erdreich, die Zehntausen­de Kubikmeter Wasser fassen und an der Oberfläche mit einem Deckel thermisch isoliert sind. „Sie speichern die Wärme und gleichen Fluktuatio­nen aus“, erläutert van Helden. „Wenn zum Beispiel gerade mehr industriel­le Abwärme zur Verfügung steht, als gebraucht wird, kann man sie zwischensp­eichern und zu Zeiten des Mehrbedarf­s dann ins Netz speisen.“Übers Jahr seien die Verluste der Großspeich­er laut van Helden nicht höher als 20 bis 25 Prozent.

Um das zu erreichen, müssen aber etliche Probleme umschifft werden, die von den steirische­n

Forschern nun beackert werden. „Viel davon ist noch Neuland. Das beginnt bei den Genehmigun­gsverfahre­n, geht über das verwendete Material bis zu Fragen der Geologie und des Grundwasse­rs“, sagt van Helden. Das teuerste Element des ganzen Systems ist die Deckelober­fläche, wo laut dem Experten auch noch der größte Kostenhebe­l schlummere.

Die sieben Demonstrat­ionsspeich­er mit Wasservolu­mina

zwischen 18.000 und 500.000 Kubikmeter­n werden teils bereits gebaut, zum Teil sind sie noch in der Planungsph­ase. Die Standorte sind unter anderem Rostock (Deutschlan­d), Pau (Frankreich), Racibórz (Polen) – und Wien. In der Bundeshaup­tstadt plant die Wien Energie, das Erdgas für die Fernwärme schrittwei­se durch Geothermie zu ersetzen. „Das Problem ist, dass die Bohrungen im Sommer zu viel Wärme liefern werden.

Mit dem 40.000-Kubikmeter­Speicher im Stadtgebie­t kann damit dann im Winter geheizt werden“, sagt Fink.

Die Erkenntnis­se aus dem Forschungs­projekt sollen auch dem für das Grazer Fernwärmen­etz geplanten Großspeich­er bei Wildon zugutekomm­en. „Er ist zwar nicht Teil der Demonstrat­ionsanlage­n, wird von dem erlangten Wissen aber sicher profitiere­n“, sagt Fink.

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EUROS ENERGY, AEE INTEC/JASMIN WIMMER Der bereits errichtete Großspeich­er in Lidzbark Warmiński (Polen) dient als Referenzpr­ojekt
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AEE INTEC Die AEE Intec in Gleisdorf ist bei der Erforschun­g nachhaltig­er Technologi­en führend
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Projektlei­ter Wim van Helden
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