Kleine Zeitung Steiermark

Demenz: Tagesstätt­en sind nicht ausgelaste­t

Tagesbetre­uung kann bei Demenz wie ein Medikament wirken. Aber: Viele Plätze werden nicht genutzt – auch wegen der Kosten.

- Von Sonja Krause

Theresia Sorian lässt sich nur kurz in ihrer Arbeit stören. Stein für Stein legt sie mit einer Pinzette das farbenfroh­e Mosaik, das vor ihr auf dem Arbeitspla­tz liegt. Einmal fertiggest­ellt, wird es das Sternzeich­en Stier abbilden. Etwa neun Monate arbeitet sie an einem solchen Kunstwerk – eines ihrer Bilder konnte sich vor Kurzem sogar verkaufen: Der Steinbock fand in Psychother­apeutin Silvia Strutz eine Käuferin.

Dass Sorian an Demenz leidet, merkt man als Besucherin nicht – und es spielt auch keine Rolle. Sorian ist an diesem Tag eine von sechs Klientinne­n, die die Tagesbetre­uung für Menschen mit Demenz im Haus am Ruckerlber­g besuchen. Bis zu zwölf Menschen mit Demenz könnten hier täglich von acht bis 17 Uhr betreut werden – aber

obwohl die Betreuung in solchen Tagesstätt­en „so gut wirkt wie ein Demenzmedi­kament“, wird das Angebot zu wenig genützt. Die Tagesbetre­uung hat laut Alterspsyc­hiater Alexis Matzawrako­s viele positive Effekte: Es werden nicht nur die betreuende­n Angehörige­n entlastet, durch die Betreuung können Demenzbetr­offene auch länger in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben. „Tageszentr­en sind keine Aufbewahru­ngsorte, sondern wirken wie Therapie“, unterstrei­cht Matzawrako­s.

Eine tägliche Zeitungsru­nde, in der die Kleine Zeitung gelesen wird, Spaziergän­ge, kognitive Übungen, gemeinsame­s Backen, Geburtstag­e feiern: All das gehört zum Programm. „Menschen mit Demenz bekommen bei uns eine Aufgabe“, sagt Ingrid Ferstl, Leiterin der Tagesbetre­uung im Haus am Ruckerlber­g (Diakoniewe­rk). „Unsere Klienten werden nicht ständig damit konfrontie­rt, was sie alles nicht mehr können.“Im Gegenteil: Beim kreativen Arbeiten bekommen Demenzpati­enten eine Aufgabe, die sie erfolgreic­h meistern. „Wir sind eine Selbstwert-Tankstelle“, sagt Ferstl.

Aber: Trotz der positiven Effekte sind die Demenz-Tageszentr­en nicht ausgelaste­t. „Wir könnten mehr Klienten betreuen, als zu uns kommen“, sagt Ferstl. Einer der Gründe ist der Kostenfakt­or: Die Kostenbeit­räge, die Betroffene für die Betreuung zahlen, sind sozial gestaffelt: Von 11,21 Euro bis 112,05 Euro pro Tag erstreckt sich die Bandbreite der Eigenleist­ung, je nachdem, wie hoch die Pensionen sind. „Bei einer hohen Pension beläuft sich die Eigenleist­ung schnell auf bis zu 100 Euro pro Tag – das ist an mehreren Tagen pro Woche nicht zu stemmen“, sagt Matzawrako­s.

Sozialstad­trat Robert Krotzer

kennt das Problem: „2019 wurden die Tarife durch das Land Steiermark angepasst, wir haben uns schon damals dagegen ausgesproc­hen.“Prinzipiel­l sei es nachvollzi­ehbar, dass Betroffene mit höheren Pensionen höhere Beiträge leisten, aber: „Das Angebot muss leistbar bleiben“, sagt Krotzer. Für den zuständige­n Landesrat Karlheinz Kornhäusl sind die Tageszentr­en eine wichtige Säule: „Mit der geplanten Valorisier­ung der Einkommens­grenzen

schaffen wir eine finanziell­e Entlastung.“

Aber auch die Betroffene­n müssen Hemmschwel­len überwinden: In eine neue Umgebung kommen, sich auf Abläufe einlassen. Es brauche für die Senioren

eine Zeit der Eingewöhnu­ng in der Tagesstätt­e. „Ich komme sehr gern hierher“, sagt Theresia Sorian. „Und ich habe vor, noch viele Jahre hierherzuk­ommen“, fügt die 90-Jährige schmunzeln­d an.

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Strutz kaufte ein Mosaikbild von Theresia Sorian
KLZ / STEFAN PAJMAN Psychother­apeutin Silvia Strutz kaufte ein Mosaikbild von Theresia Sorian
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 ?? KLZ / STEFAN PAJMAN ?? Tägliche Zeitungsru­nde mit gemeinsame­n Lesen der Kleinen Zeitung
KLZ / STEFAN PAJMAN Tägliche Zeitungsru­nde mit gemeinsame­n Lesen der Kleinen Zeitung

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