Wieso man im Bett nicht über Sex reden sollte
Damit das Liebesleben erfüllend ist und auch bleibt, sollte man mit seinem Partner darüber sprechen. Nur: Wie geht man das am besten an?
Wenn der Sex gut funktioniert, ist er zu zwei Prozent wichtig. Wenn nicht, zu 98 Prozent“, sagt Nicole Siller in der neuen Episode von „Ist das gesund?“, dem MedizinPodcast der Kleinen Zeitung. Soll heißen, wenn das Liebesleben nicht erfüllend ist, dann nimmt es der Beziehung Raum und Leichtigkeit. Sprechen über eigene Vorlieben, über Wünsche, über Sex per se ist selten einfach.
Und tendenziell wird das Sprechen über Probleme und unerfüllte Erwartungen nicht leichter, wenn es im Bett nicht so richtig klappt. Doch wie spricht man über seine Wünsche und Vorlieben? „Am besten nicht im Bett“, sagt Sexual- und Beziehungstherapeutin Siller. „Vor allem dann nicht, wenn man vielleicht gerade Sexualität genossen hat, die nicht ganz so super war.“
Siller rät in diesem Fall zu einem Spaziergang. In diesem Rahmen hat man die Möglichkeit, etwas Abstand zu halten, kann sich dann aber wieder annähern – sich und seinem Partner beim Reden also etwas Raum geben. Zudem muss man sich nicht immer ansehen beim Reden. Auch das kann ein Gespräch erleichtern.
Geht es darum, anzusprechen, was einen schon länger stört, vielleicht sogar Jahre lang, rät Siller nicht unbedingt zu voller Ehrlichkeit. „Ich würde nie dazu raten, dass jemand sagt: ‚Die letzten 15 Jahre habe ich dir was vorgemacht.‘“Das wäre wohl das Ende der Beziehung, da das Vertrauen massiv enttäuscht wurde – nicht nur in Bezug auf die Sexualität. Erfolgversprechender wäre sich zu überlegen, was möchte ich und wie man das dem Partner mitteilen kann? „Man könnte sagen, ich würde gerne mal dieses oder jenes ausprobieren oder ich wünsche mir, dass du das machst“, erklärt Siller. So wäre der Weg zu positiven Erlebnissen eher frei, als wenn man anspricht, was man früher als nicht so erfüllend empfunden hat.
Doch um seine Wünsche formulieren zu können, muss man wissen, was man möchte. „Sehr oft sagt man nicht, was man möchte, weil man es gar nicht selber weiß, weil man es gar nicht selbst spürt.“Geht man aber auf Entdeckungsreise nach den eigenen Bedürfnissen, gibt Siller eine Frage mit: „Was macht eigentlich Freude?“
Die Antwort muss per se auch gar nichts mit Körperlichkeit oder Sex zu tun haben. „Freude, Begeisterung, Lust – das sind artverwandte Gefühle“, sagt die
Expertin. Es gehe darum, sich wieder auf diese Gefühle zu fokussieren, sich diese in Erinnerung zu rufen.
Das kann man üben. Etwa, indem man sich am Abend bewusst macht, was am durchlebten Tag schön war. Oder sich in der Früh kurz überlegt, worauf oder auf wen man sich an diesem Tag freut. Beim Üben bzw. Erkunden der eigenen Bedürfnisse kann auch Masturbation, oder Solosex, wie Siller es nennt, gute Dienste erweisen – für alle Geschlechter: „Ich empfehle es wirklich, weil ich glaube, dass man da gut herausfinden kann, was gerade spannend ist oder wie man berührt werden möchte.“
„Es ist nie zu spät für guten Sex“, sagt Siller im Podcast. Doch wann ist die Zeit gekommen, als Paar Unterstützung bei einer Beziehungstherapeutin einzuholen? Pauschal könne man diese Frage nicht beantworten, aber wenn wir auf die zwei bzw. 98 Prozent vom Beginn des Artikels zurückkommen, meint Siller: „Dazwischen gibt es was, es gibt einen Zeitpunkt, wo es kippt.“Zu diesem Zeitpunkt rät Siller, sich Rat oder Unterstützung zu holen. „Ich empfehle, nicht zu lange zu warten, weil ansonsten die Beziehungsdynamik zu schwer wird.“