Kleine Zeitung Steiermark

Das lukrative Begehren des Volkes

Jahr für Jahr steigt die Zahl der Volksbegeh­ren. Das weckt den Verdacht der Geschäftem­acherei.

- Von Miriam Al Kafur und Walter Hämmerle

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Volksbegeh­ren liegen noch bis zum 18. März zum Unterzeich­nen in den Gemeindeäm­tern auf. Wer sich den Weg ins Amt sparen will, kann ein Volksbegeh­ren online mit der digitalen Signatur unterschre­iben. Zur Anmeldung und Eintragung eines Volksbegeh­rens fallen Gebühren in der Höhe von rund 3.400 Euro an, die Summe wird jedes Jahr an die Inflation angepasst. Seit der letzten Gesetzesän­derung 2018 bekommen Volksbegeh­ren, die die 100.000-Unterschri­ften-Marke übertreffe­n, das Fünffache der im Vorfeld investiert­en Gebühren durch das Innenminis­terium – also insgesamt 17.000 Euro – rückerstat­tet.

Diese Form der Rückerstat­tung scheint das Einbringen eines Volksbegeh­rens zum lukrativen Geschäft gemacht zu haben. Gab es bis 2018 insgesamt 39 Volksbegeh­ren, schnalzte die Nummer seit der Gesetzesän­derung rapide in die Höhe. 2018 und 2019 stieg die Zahl auf je drei, 2020 waren es schon fünf Volksbegeh­ren, 2021 sieben. Bereits 16 Initiative­n waren es dann 2022, 19 in 2023 – und allein 14 Volksbegeh­ren liegen, wie bereits erwähnt, in der aktuellen Woche zur Unterstütz­ung auf.

Sind Volksbegeh­ren also ein einträglic­hes Geschäft? Einer, der es wissen müsste, ist Robert Marschall. Der 58-jährige Wiener ist Unternehme­r und darüber hinaus – oder vor allem? – ein umtriebige­r Polit-Aktivist, der unter

anderem für den EU-Austritt kämpft und seit 2018 zahlreiche Volksbegeh­ren eingebrach­t hat. In diesen sieht er ein effektives direktdemo­kratisches Instrument: „Wir versuchen, aufzuzeige­n, dass das Volk eine andere Meinung hat, als die

Mehrheit im Parlament.“

Den Vorwurf des „Geschäftsm­odells Volksbegeh­ren“kennt Marschall zur Genüge. Anfangen kann er damit nichts. Initiatore­n würden mit dem Einbringen eine kosteninte­nsive Vorleistun­g erbringen, ist Marschall überzeugt, die sich in den seltensten Fällen finanziell rentiere. Von einem Geschäftsm­odell will er nichts wissen: „Man muss das Geld ja gleich am Anfang bezahlen. Das stellt viele vor eine finanziell­e Hürde. Viele Österreich­er können sich diese Summe nicht leisten.“Das ist zweifellos richtig. Allerdings haben es sieben von Marschalls Volksbegeh­ren zu Themen wie Anti-Impfpflich­t, gegen die EU oder Kanzler Nehammer über die 100.000-Stimmen-Marke geschafft. Macht die erklecklic­he Summe von 119.000 Euro aus der Kassa der Gebühren-Refundieru­ng.

Es sind Fälle wie diese, die dazu geführt haben, dass ÖVP und die Grünen darüber nachdenken, das Volksbegeh­ren-Gesetz zu reformiere­n, um finanziell­en Missbrauch zu unterbinde­n. Offen ist jedoch, ob sich das vor dem Herbst noch ausgeht. ÖVPVerfass­ungssprech­er Wolfgang Gerstl sagt dazu: „Wir haben mit allen Fraktionen Gespräche aufgenomme­n. Der Ausgang ist jedoch offen.“Agnes Prammer, Verfassung­ssprecheri­n der Grünen, betont, dass eine „allfällige Änderung das Instrument stärken, aber keinesfall­s schwächen soll“.

Anders sieht die Situation die FPÖ, diese ortete einen „schwarz-grünen Angriff auf ein zentrales direktdemo­kratisches Instrument“. Engagierte Bürger, die Volksbegeh­ren auf den Weg bringen, dürften nicht „auf dem vollen finanziell­en Risiko sitzen bleiben und bestraft werden“, argumentie­rt die freiheitli­che Verfassung­ssprecheri­n Susanne Fürst in einer Aussendung von Anfang dieses Jahres.

Es schaut so aus, als ob sich die erfolgreic­he Einbringun­g von Volksbegeh­ren noch eine Zeit lang ganz gut rentieren könnte.

Verkommt die direkte Demokratie zur Geschäftem­acherei?

Mehr und immer mehr: Die Zahl der Volksbegeh­ren wächst

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