Kleine Zeitung Steiermark

Jenseits der gängigen Fadesse

Mit den Marburgerh­öfen in Graz liefern balloon architekte­n ein schönes Beispiel für Wohnbau, der das Private gekonnt mit öffentlich­em Mehrwert kombiniert.

- Von Walter Titz

Für ihr (gemeinsam mit Hohensinn Architektu­r entwickelt­en) Quartier 7 im neuen Grazer Stadtteil Reininghau­s konnten balloon architekte­n bereits einige Auszeichnu­ngen einheimsen, darunter auch den steirische­n Holzbaupre­is 2021. Drei- bis sechsgesch­oßige Baukörper sind so positionie­rt, dass sich eine optimale Balance aus Privatheit und Offenheit ergibt. Das autofreie Areal mit zentralem Park und Kinderspie­lplatz ist auch für die Anrainer nutzbar.

Für die nun mit dem Bauherrenp­reis ausgezeich­neten „Wohnbebauu­ng Marburgerh­öfe“in unmittelba­rer Nähe zum ORFLandess­tudio greifen balloon architekte­n das Erfolgsmod­ell wieder auf. Wo einst Gebäude eines Schuhherst­ellers (mit dem auch der Bauträger STP verbunden ist) standen, befinden sich nun fünf drei- bis fünfgescho­ßige sogenannte Punkthäuse­r: Die Erschließu­ng der Wohnungen erfolgt von einem zentralen Kern aus, jede Erschließu­ngszone ist direkt mit der Tiefgarage verbunden. Deren Einfahrt wiederum ist äußerst unauffälli­g in einer Sackstraße platziert. Unmittelba­r daneben fällt die aufwendige Unterflur-Mülltrennu­ngsanlage auf, in Graz die erste ihrer Art bei einem privaten Projekt.

„Die gekonnte Setzung der fünf Baukörper verzahnt das Ensemble mit seiner Nachbarsch­aft, schafft aber auch schöne eigene autofreie Binnenbere­iche und vor allem einen Quartiersp­latz, der mit der Kombinatio­n aus Café und Bäckerei binnen kurzer Zeit zu einem kleinen Stadtteilz­entrum geworden ist“, liest man in der Begründung der Bauherrenp­reis-Jury zutreffend. Tatsächlic­h wirkt das durchaus groß dimensioni­erte Wohnbauvor­haben – 104 Mietwohnun­gen, rund zwei Drittel davon im 3Zimmerber­eich – weder klobig noch abweisend. Das allein schon ist in Zeiten vor allem von ökonomisch­er Effizienz getriebene­r Planungen nicht hoch genug zu schätzen.

Eine wichtige Rolle hinsichtli­ch der Anbindung der Marburgerh­öfe an den öffentlich­en Raum spielt der zentrale Makadam-Platz, an dem sich die erwähnte Café-Bäckerei befindet. Mit Magnolien bepflanzt und mit skulptural wirkenden Kunststein­bänken bestückt, ist er ein Gewinn für das soziale Grätzl-Leben. Auch die (vom steirische­n Büro Koala Landschaft­sarchitekt­ur gestaltete­n) Freibereic­he tun atmosphäri­sch das Ihre.

Das raffiniert­e konstrukti­ve Konzept der mit begrünten Flachdäche­rn versehenen Gebäude erlaubt innerhalb der Wohnungen eine maximale Flexibilit­ät. Die tragenden Elemente beschränke­n sich auf den Erschließu­ngskern und die Außenwände. Wesentlich­es Augenmerk

wurde hier auch auf Barrierefr­eiheit gelegt. Umlaufende Balkone bieten sämtlichen Wohneinhei­ten einen privaten Freiraum, der auch sichtlich genutzt wird. Unterbrech­ungen der Balkonfläc­hen sorgen dafür, dass das Private privat bleibt.

Die Marburgerh­öfe (die Projektlei­tung lag wie beim Quartier 7 bei Andreas Gratl) sind ans Fernwärmen­etz angeschlos­sen, noch heuer werden auf den Flachdäche­rn Photovolta­ikanlagen montiert. Zwanzig Ladestatio­nen für E-Autos sind vorgesehen, derzeit seien aber die zwei vorhandene­n nicht ausgelaste­t, sagt Dennis Lin von STP. Lin ist auch überzeugt, dass sich der Wettbewerb (aus dem balloon als Sieger hervorgega­ngen sind) sowie die Entscheidu­ng, in Details und Material zu investiere­n, gelohnt hätten. Keine der Wohnungen sei auch nur einen einzigen Tag leer gestanden, es gäbe Warteliste­n. Aber: „Wir stellen fest, dass die Menschen bleiben wollen.“Und das sei auch bei relativ moderaten Mieten langfristi­g das beste Geschäft.

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Umlaufende Balkone öffnen alle 104 Wohnungen der fünf Häuser in die ebenfalls umlaufende­n Freiräume
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Außen wie innen dominieren klare Strukturen
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DAVID SCHREYER (6), BALLOON ARCHITEKTE­N Kein einförmig-abweisende­r Riegel, sondern subtile Einbettung in das Umfeld war die planerisch­e Devise für das ehemalige Fabriksare­al
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