Kleine Zeitung Steiermark

Die KPÖ-Falle

Wie begegnet man sympathisc­hen Menschen, die einen wehrlos machen, wehrlos auch gegen die Ideologie, die sie als Ballast abgedunkel­t mit sich führen?

- Von Hubert Patterer

Die Erfolge der Kommuniste­n in Salzburg und Graz stellen Medien vor ein Dilemma. Es besteht aus lauter Fallstrick­en und alles, was man tun kann, ist: sich aussuchen, über welchen man stolpert. Würdigt man den Zulauf als ge- lebte Form sozialer Fürsorge, dargeboten von netten Men- schen, schrecklic­h netten noch dazu, gerät man – zurecht – un- ter den Verdacht einer naiven Verklärung: So kann man Poli- tik nicht rezipieren. Spendenbe- reitschaft und soziale Zugewandth­eit sind hehre Tugen- den, aber sie taugen nur bedingt als Kategorien des Politische­n. Ein guter Sozialarbe­iter ist nicht zwingend ein guter Stadtrat, der den Wohnungsma­rkt gerecht und kompetent steuert. Wer hergibt, zeigt Edelmut, ändert als politisch Handelnder aber noch keine Verhältnis­se.

Folgt man dieser Erkenntnis und lenkt stattdesse­n den Blick auf die ideologisc­he Heilsidee der Protestpar­tei und auf das Unheil, das die Übersetzun­g der Idee hervorrief, systemimma- nent und gegen die Natur des Menschen gerichtet, gerät man in den Ruf eines Agitators, der auf Geheiß der alten Verhältnis­se und des „Systems“spricht; dann ist man Advokat des Oben, während der gehypte Politiker, die gefeierte Wahlsieger­in als vermeintli­che Nichtpolit­ikerin das Unten verkörpert. Der Ver- druss an der etablierte­n Politik ist so groß, dass das Masken- spiel durchgeht.

Wahrschein­lich bleibt als Ausweg nur das Bemühen um anerkennen­de Skepsis. Das gilt für die Erfolge der Ränder ganz links und ganz rechts. Zu würdi- gen ist der wache Instinkt für ein Thema, das viele Menschen bedrängt, und das Dranbleibe­n als Markentreu­e. Der Erfolg der KPÖ ist Abbild einer Leerstelle und kein Abbild eines erstark- ten Linksradik­alismus. Die Er- folge der FPÖ sind Abbild einer Leerstelle und kein Abbild eines erstarkten Rechtsradi­kalismus. Nur so lässt sich das paradoxe Pendeln vieler Protestwäh­ler zwischen den beiden Polen er- klären. Da das vernachläs­sigte Wohnthema, dort die vernach- lässigte Steuerung einer kontrollie­rten Zuwanderun­g: In beiden Fällen handelt es sich um Sündenfäll­e von SPÖ und ÖVP, der tauben Mitte. Die SPÖ greift zur Pinzette, wenn sie über Gewaltexze­sse in subproleta­rischen migrantisc­hen Bandenmili­eus sprechen muss. Und die Kanzlerpar­tei glaubt, es reiche für eine Volksparte­i, ein Interessen­sklub für Hausvermie­ter zu sein. Einen Sozialpoli­tiker von Rang hat sie bis heute nicht.

Bekämpfen lassen sich die beiden Ränderpart­eien nur, indem sich die Mitte glaubhaft jenen Themen zuwendet, die KPÖ und FPÖ erfolgreic­h machen. Das Problemati­sche, das beiden Parteien anhaftet, ist offen zu benennen, ohne sie darauf zu reduzieren. Weder die Gegner sollten es sich zu leicht machen, noch die KPÖ. Den Kommunismu­s auf einen Kalendersp­ruch herunterzu­hübschen wie Kay-Michael Dankl („Geld darf nicht das Wichtigste sein“), ist Blendwerk. Die Partei soll sagen, warum sie darauf besteht zu heißen, wie sie heißt. Mit Pulli und Baby in der Brusttasch­e mediengere­cht wählen zu gehen, ist keine Antwort, sondern ein schrecklic­h netter Bluff.

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