Die KPÖ-Falle
Wie begegnet man sympathischen Menschen, die einen wehrlos machen, wehrlos auch gegen die Ideologie, die sie als Ballast abgedunkelt mit sich führen?
Die Erfolge der Kommunisten in Salzburg und Graz stellen Medien vor ein Dilemma. Es besteht aus lauter Fallstricken und alles, was man tun kann, ist: sich aussuchen, über welchen man stolpert. Würdigt man den Zulauf als ge- lebte Form sozialer Fürsorge, dargeboten von netten Men- schen, schrecklich netten noch dazu, gerät man – zurecht – un- ter den Verdacht einer naiven Verklärung: So kann man Poli- tik nicht rezipieren. Spendenbe- reitschaft und soziale Zugewandtheit sind hehre Tugen- den, aber sie taugen nur bedingt als Kategorien des Politischen. Ein guter Sozialarbeiter ist nicht zwingend ein guter Stadtrat, der den Wohnungsmarkt gerecht und kompetent steuert. Wer hergibt, zeigt Edelmut, ändert als politisch Handelnder aber noch keine Verhältnisse.
Folgt man dieser Erkenntnis und lenkt stattdessen den Blick auf die ideologische Heilsidee der Protestpartei und auf das Unheil, das die Übersetzung der Idee hervorrief, systemimma- nent und gegen die Natur des Menschen gerichtet, gerät man in den Ruf eines Agitators, der auf Geheiß der alten Verhältnisse und des „Systems“spricht; dann ist man Advokat des Oben, während der gehypte Politiker, die gefeierte Wahlsiegerin als vermeintliche Nichtpolitikerin das Unten verkörpert. Der Ver- druss an der etablierten Politik ist so groß, dass das Masken- spiel durchgeht.
Wahrscheinlich bleibt als Ausweg nur das Bemühen um anerkennende Skepsis. Das gilt für die Erfolge der Ränder ganz links und ganz rechts. Zu würdi- gen ist der wache Instinkt für ein Thema, das viele Menschen bedrängt, und das Dranbleiben als Markentreue. Der Erfolg der KPÖ ist Abbild einer Leerstelle und kein Abbild eines erstark- ten Linksradikalismus. Die Er- folge der FPÖ sind Abbild einer Leerstelle und kein Abbild eines erstarkten Rechtsradikalismus. Nur so lässt sich das paradoxe Pendeln vieler Protestwähler zwischen den beiden Polen er- klären. Da das vernachlässigte Wohnthema, dort die vernach- lässigte Steuerung einer kontrollierten Zuwanderung: In beiden Fällen handelt es sich um Sündenfälle von SPÖ und ÖVP, der tauben Mitte. Die SPÖ greift zur Pinzette, wenn sie über Gewaltexzesse in subproletarischen migrantischen Bandenmilieus sprechen muss. Und die Kanzlerpartei glaubt, es reiche für eine Volkspartei, ein Interessensklub für Hausvermieter zu sein. Einen Sozialpolitiker von Rang hat sie bis heute nicht.
Bekämpfen lassen sich die beiden Ränderparteien nur, indem sich die Mitte glaubhaft jenen Themen zuwendet, die KPÖ und FPÖ erfolgreich machen. Das Problematische, das beiden Parteien anhaftet, ist offen zu benennen, ohne sie darauf zu reduzieren. Weder die Gegner sollten es sich zu leicht machen, noch die KPÖ. Den Kommunismus auf einen Kalenderspruch herunterzuhübschen wie Kay-Michael Dankl („Geld darf nicht das Wichtigste sein“), ist Blendwerk. Die Partei soll sagen, warum sie darauf besteht zu heißen, wie sie heißt. Mit Pulli und Baby in der Brusttasche mediengerecht wählen zu gehen, ist keine Antwort, sondern ein schrecklich netter Bluff.