Ein Blick in die Zukunft der Landwirtschaft
REPORTAGE. In Raumberg-Gumpenstein forschen Wissenschaftler an landwirtschaftlichen Zukunftsthemen wie Klima, Tierhaltung oder Ertragssteigerung.
Es herrscht Unsicherheit in der Schweinehaltung beim Blick in die Zukunft. Man sieht diese Bilder von Tieren mit Verletzungen, und für viele ist klar, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Doch ganz so einfach ist das nicht“, erklärt Birgit Heidinger, Institutsleiterin für Tier, Technik und Umwelt, und blickt aus dem Fenster ihres Büros im Schloss Gumpenstein. Hier, in der Forschungseinrichtung Raumberg-Gumpenstein, die dem Landwirtschaftsministerium unterstellt ist, setzt man sich mit den Problemen des agrarischen Sektors auseinander und versucht, mittels Forschung Lösungen anzubieten.
Die gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft steigen ständig, man soll Landschaftskultur bewirtschaften und beste Produkte herstellen, andererseits die Natur schonen. Man soll Tieren größtmögliches Wohl ermöglichen, gleichzeitig Fleisch zu billigsten Konditionen anbieten. Mit vielen dieser Fragestellungen sind die 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an der Forschung beteiligt sind, konfrontiert. „Wir versuchen, Probleme der Bauern zu lösen, das ist unser Job“, erklärt Forschungsleiter Andreas Steinwidder.
Beispiel Pflanzenbau. Mittels Satellitentechnik kann die Qualität von Grünflächen abgeschätzt werden – sprich: Wann ist der beste Zeitpunkt, um mein Gras zu mähen und ertragreiches, reichhaltiges Futtermittel zu erhalten? „Derzeit haben wir rund 150 Versuchsflächen in Österreich. In den kommenden zwei Jahren wollen wir das via App für alle Landwirte zugänglich machen“, erklärt Steinwidder. An anderer Stelle werden Futterzusätze für Rinder getestet, um Methanausstoß zu verringern, und auch an Blühmischungen für angepasste, klimaresistente Pflanzen wird geforscht. Apropos Klimawandel: Dieser kann in Raumberg Gumpenstein sogar emuliert werden. Steinwidder: „Wir erwärmen Versuchsparzellen um 1,5 oder drei Grad, um verschiedene Stufen der Erderwärmung zu simulieren.“Die Erkenntnis: „Es wird Ertragseinbußen geben. Die Verdunstung und Trockenheit werden zunehmen. Wir müssen dringend den Pflanzenbestand anpassen“, sagt Steinwidder.
Auch Tierhaltung spielt eine wesentliche Rolle. Wohin soll sich die eingangs erwähnte Schweinehaltung entwickeln? Das ist eine zentrale Frage der Forschenden.
Die Abschaffung des Vollspaltenbodens wurde besiegelt, die Übergangsfrist wurde vom Verfassungsgerichtshof gekippt und muss neu beschlossen werden. Regularien für zukünftige konventionelle Haltung sind offen, viele Bauern verunsichert – vor allem jene, die kürzlich umgebaut haben. Hier soll das Projekt IBeSt (Innovation für Bestehende Stallungen) einhaken und versuchen, eine verbesserte Haltung mit geringerem finanziellen Aufwand als bei einem Neubau zu ermöglichen. Modelle wie Matten über den Vollspalten, Einstreu, getrennte Liege- und Kot
flächen und mehr werden getestet. „Das eine Zukunftsmodell haben wir noch nicht gefunden, da jeder Stall andere Anforderungen hat“, erklärt Steinwidder. Das ist auch die Aufgabe von Heidinger und ihrem Kollegen Eduard Zentner, die die Besorgtheit der Bauern, auch nach der öffentlichen Aufregung um Aufdeckungen von Zuständen in einem steirischen Schweinebetrieb, täglich miterleben. Eine Ferndiagnose anhand von Bildern maßen sich die Wissenschaftler nicht an. „Verletzungen, Krankheiten und Bisse in der Mast haben verschiedene Gründe. Schwanz- und Ohrenbiss sind multifaktoriell, sie können neben der Haltung von der Fütterung, dem Wetter, der Genetik oder anderen Ursachen abhängen“, sagt Heidinger. „Aber Verletzungen können nicht nur in der konventionellen, sondern auch in Tierwohloder Biohaltung auftreten“, ergänzt Zentner.
Wohin soll sie gehen, die Landwirtschaft der Zukunft? „Ich glaube, wir sind vor allem in der Qualitätsproduktion gut aufgestellt, haben wenig Hofaufgaben, hohe Tierwohlstandards und Biodiversität. Wir können ohnehin nicht mit groß angelegter industrieller Landwirtschaft anderer Länder mithalten. Daher sollten wir unsere Stärken forcieren“, so Steinwidder.
Durch die Erderwärmung wird es Ertragseinbußen geben. Die Verdunstung und Trockenheit werden zunehmen. Wir müssen dringend den Pflanzenbestand anpassen.
Andreas Steinwidder