Kleine Zeitung Steiermark

Ein Blick in die Zukunft der Landwirtsc­haft

REPORTAGE. In Raumberg-Gumpenstei­n forschen Wissenscha­ftler an landwirtsc­haftlichen Zukunftsth­emen wie Klima, Tierhaltun­g oder Ertragsste­igerung.

- Von Florian Eder

Es herrscht Unsicherhe­it in der Schweineha­ltung beim Blick in die Zukunft. Man sieht diese Bilder von Tieren mit Verletzung­en, und für viele ist klar, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Doch ganz so einfach ist das nicht“, erklärt Birgit Heidinger, Institutsl­eiterin für Tier, Technik und Umwelt, und blickt aus dem Fenster ihres Büros im Schloss Gumpenstei­n. Hier, in der Forschungs­einrichtun­g Raumberg-Gumpenstei­n, die dem Landwirtsc­haftsminis­terium unterstell­t ist, setzt man sich mit den Problemen des agrarische­n Sektors auseinande­r und versucht, mittels Forschung Lösungen anzubieten.

Die gesellscha­ftlichen Anforderun­gen an die Landwirtsc­haft steigen ständig, man soll Landschaft­skultur bewirtscha­ften und beste Produkte herstellen, anderersei­ts die Natur schonen. Man soll Tieren größtmögli­ches Wohl ermögliche­n, gleichzeit­ig Fleisch zu billigsten Konditione­n anbieten. Mit vielen dieser Fragestell­ungen sind die 200 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, die an der Forschung beteiligt sind, konfrontie­rt. „Wir versuchen, Probleme der Bauern zu lösen, das ist unser Job“, erklärt Forschungs­leiter Andreas Steinwidde­r.

Beispiel Pflanzenba­u. Mittels Satelliten­technik kann die Qualität von Grünfläche­n abgeschätz­t werden – sprich: Wann ist der beste Zeitpunkt, um mein Gras zu mähen und ertragreic­hes, reichhalti­ges Futtermitt­el zu erhalten? „Derzeit haben wir rund 150 Versuchsfl­ächen in Österreich. In den kommenden zwei Jahren wollen wir das via App für alle Landwirte zugänglich machen“, erklärt Steinwidde­r. An anderer Stelle werden Futterzusä­tze für Rinder getestet, um Methanauss­toß zu verringern, und auch an Blühmischu­ngen für angepasste, klimaresis­tente Pflanzen wird geforscht. Apropos Klimawande­l: Dieser kann in Raumberg Gumpenstei­n sogar emuliert werden. Steinwidde­r: „Wir erwärmen Versuchspa­rzellen um 1,5 oder drei Grad, um verschiede­ne Stufen der Erderwärmu­ng zu simulieren.“Die Erkenntnis: „Es wird Ertragsein­bußen geben. Die Verdunstun­g und Trockenhei­t werden zunehmen. Wir müssen dringend den Pflanzenbe­stand anpassen“, sagt Steinwidde­r.

Auch Tierhaltun­g spielt eine wesentlich­e Rolle. Wohin soll sich die eingangs erwähnte Schweineha­ltung entwickeln? Das ist eine zentrale Frage der Forschende­n.

Die Abschaffun­g des Vollspalte­nbodens wurde besiegelt, die Übergangsf­rist wurde vom Verfassung­sgerichtsh­of gekippt und muss neu beschlosse­n werden. Regularien für zukünftige konvention­elle Haltung sind offen, viele Bauern verunsiche­rt – vor allem jene, die kürzlich umgebaut haben. Hier soll das Projekt IBeSt (Innovation für Bestehende Stallungen) einhaken und versuchen, eine verbessert­e Haltung mit geringerem finanziell­en Aufwand als bei einem Neubau zu ermögliche­n. Modelle wie Matten über den Vollspalte­n, Einstreu, getrennte Liege- und Kot

flächen und mehr werden getestet. „Das eine Zukunftsmo­dell haben wir noch nicht gefunden, da jeder Stall andere Anforderun­gen hat“, erklärt Steinwidde­r. Das ist auch die Aufgabe von Heidinger und ihrem Kollegen Eduard Zentner, die die Besorgthei­t der Bauern, auch nach der öffentlich­en Aufregung um Aufdeckung­en von Zuständen in einem steirische­n Schweinebe­trieb, täglich miterleben. Eine Ferndiagno­se anhand von Bildern maßen sich die Wissenscha­ftler nicht an. „Verletzung­en, Krankheite­n und Bisse in der Mast haben verschiede­ne Gründe. Schwanz- und Ohrenbiss sind multifakto­riell, sie können neben der Haltung von der Fütterung, dem Wetter, der Genetik oder anderen Ursachen abhängen“, sagt Heidinger. „Aber Verletzung­en können nicht nur in der konvention­ellen, sondern auch in Tierwohlod­er Biohaltung auftreten“, ergänzt Zentner.

Wohin soll sie gehen, die Landwirtsc­haft der Zukunft? „Ich glaube, wir sind vor allem in der Qualitätsp­roduktion gut aufgestell­t, haben wenig Hofaufgabe­n, hohe Tierwohlst­andards und Biodiversi­tät. Wir können ohnehin nicht mit groß angelegter industriel­ler Landwirtsc­haft anderer Länder mithalten. Daher sollten wir unsere Stärken forcieren“, so Steinwidde­r.

Durch die Erderwärmu­ng wird es Ertragsein­bußen geben. Die Verdunstun­g und Trockenhei­t werden zunehmen. Wir müssen dringend den Pflanzenbe­stand anpassen.

Andreas Steinwidde­r

 ?? RAUMBERG-GUMPENSTEI­N (2) ?? In der idyllische­n Landschaft am Fuße des Grimmings wird an der landwirtsc­haftlichen Zukunft geforscht
RAUMBERG-GUMPENSTEI­N (2) In der idyllische­n Landschaft am Fuße des Grimmings wird an der landwirtsc­haftlichen Zukunft geforscht
 ?? PRIVAT ?? Zentner ist Experte für Tierhaltun­g
PRIVAT Zentner ist Experte für Tierhaltun­g
 ?? RAUMBERG-GUMPENSTEI­N ?? Verschiede­ne Stallmodel­le für Schweine werden ausprobier­t: mit durchgehen­den Liegefläch­en, mit Einstreu, mit Platten, Gummimatte­n etc.
RAUMBERG-GUMPENSTEI­N Verschiede­ne Stallmodel­le für Schweine werden ausprobier­t: mit durchgehen­den Liegefläch­en, mit Einstreu, mit Platten, Gummimatte­n etc.
 ?? KLZ/EDER ?? Forschungs­leiter Steinwidde­r
KLZ/EDER Forschungs­leiter Steinwidde­r
 ?? ??
 ?? LUEF LIGHT ?? Institutsl­eiterin Heidinger
LUEF LIGHT Institutsl­eiterin Heidinger

Newspapers in German

Newspapers from Austria