Wachablöse: Lend ist die Nummer eins
Wechsel an der Spitze der einwohnerstärksten Bezirke: Lend überholt Jakomini. Ein Streifzug mit dem Bezirksvorsteher und warum er das Wort „Boboviertel“nicht mag.
Das überrascht mich“, sagt Christian Carli zunächst. Aber der Bezirksvorsteher freut sich, dass „sein“Lend nun die neue Nummer eins ist in Graz und Jakomini als einwohnerstärksten Bezirk abgelöst hat. „Obwohl wir der Drittkleinste sind“, lacht Carli. Konkret sind es 33.886 Menschen, die im IV. ihren Hauptwohnsitz haben, in Jakomini sind es „nur“31.676. Knapp dahinter Gries mit 30.506 Bewohnern.
Streng genommen fand die Wachablöse schon 2023 statt, nur hat sie niemand wirklich mitbekommen. Um die Zahlen aus steirischer Perspektive einordnen zu können: Die vier Grazer Bezirke Lend, Jakomini, Gries und Eggenberg (24.883) sind alle jeweils größer als Leoben, die zweitgrößte Stadt in der Steiermark mit 24.656 Einwohnern.
Früher, da war Lend in den Köpfen vieler das „Glasscherbenviertel“, wie es abschätzig genannt wurde. Heute gilt es als „Boboviertel“, also für junge, tendenziell einkommensstarke
Bewohner, die gerne das Feiern zelebrieren. „Ich mag das Wort nicht“, sagt Bezirksvorsteher Carli. Er spricht lieber vom „Künstler- und Fortgehviertel zwischen Kunsthaus, Mariahilferund Lendplatz. Da ist Leben, da kommen extra Touristen hin und im Sommer hat es wirklich ein südliches Flair.“
Aber Carli will Lend nicht darauf reduziert wissen. „Es gibt auch das, was ich das alte Lend nenne. Dort, wo es keine Gentrifizierung ausgehend vom Kunsthaus gegeben hat, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Ich finde gut, dass es beides gibt.“
Oder prägnant: „Ein Bezirk, zwei Welten.“Er sieht das alte Lend, das Wohnviertel der Arbeiterinnen und Arbeiter, nördlich des Lendplatzes und von der Floßlendstraße weg Richtung Hauptbahnhof.
Aber selbst dort gibt es Einsprengsel, die Richtung Gentrifizierung deuten. Helmut Marko hat am Beginn der Wiener Straße das formidable Lendhotel aufgesperrt, für das mit dem Spruch „The Lend is near“geworben wird. Überhaupt ist Lend der Friseursalon unter den Grazer Bezirken: Es gibt kein Wortspiel mit dem Namen, das es nicht
gibt. Am Kai wurde gerade das Büro- und Wohnhaus „Lendmark“fertig, in der Neubaugasse steht das „Home-Lend“, eine Symbiose aus altem Backsteinbau mit neuer Architektur. Im Erdgeschoß beheimatet: Stephan Lanzer, der mit seinen „Selected Labels“und exklusiver Mode neu durchstarten will. Unweit vor dem Marko-Hotel wurde das „Lend Loft“hochgezogen, unweit danach steht das architektonisch hochwertige Projekt „Prinzessin Veranda“mit dem hippen Wildmoser-Lokal als Nachbarn.
Wird das Wachstum nicht langsam zu viel? „Nein“, sagt Carli. Erstens lässt jeder Hauptwohnsitz im Bezirk das Budget steigen. Und zweitens werde nicht nur gebaut, sondern habe sich auch in Sachen Grünraum viel getan. „Es kommt der GertieParkesch-Kaan-Park, den AnnaČadia-Park und den NikolausHarnoncourt-Park gibt es schon, genauso wie einen Minipark in der Zeilergasse. Letztere soll ja demnächst generell zur grünen Meile werden.“