Verstecktes Paradies für Sammler
Manfred Bürscher ist der einzige Briefmarkenhändler, der in der Grazer Innenstadt noch ein Ladengeschäft führt.
Trend und Tradition liegen in der Stubenberggasse in der Grazer Innenstadt Tür an Tür. Beim kultigen Sandwichclub im Mild schaut man zwischen Herren- und Schmiedgasse auf ein After-Work-Bier vorbei. Im Tausendschön wird fündig, wer Heim und Baby instagramtauglich ausstaffieren möchte. Ein paar Schritte weiter: längst vergriffene Bücher vergangener Jahrzehnte und alte Drucke in den Schaufenstern des Antiquariats M. Truppe und Manfred Bürschers „City-Philatelie“.
Das Universum des 62-jährigen Grazers ist winzig. Neben dem Eingang ist gerade genug Platz für einen kleinen Schaukasten, der verrät, womit Bürscher handelt: Briefmarken. Das Geschäft, das er vor 33 Jahren übernommen hat, ist mittlerweile ein Unikat. „Es gibt noch andere Briefmarkenhändler, aber ich bin der letzte mit einem regulär geöffneten Ladengeschäft in Graz“, erzählt Bürscher. Auch wenn die Hochzeit des Sammelns von „Postwertzeichen“in den 1960er- und 70er-Jahren schon seit Jahrzehnten vorbei ist – gestrig ist das Unternehmen keineswegs. „Ich mache 90 Prozent meines Umsatzes mit dem Versand, wenn das Wochenende verregnet ist, weiß ich schon, dass eine Online-Bestellung nach der anderen hereinkommt“, erklärt der Innenstadthändler. Das kleine Geschäft nützt er für den „Kontakt zur Basis“. Unter den Leuten, die vorbeischauen, kann schon einmal ein NachwuchsPhilatelist sein, dem er mit seinem lexikalischen Wissen gerne weiterhilft. Wenig überraschend sind es aber vor allem ältere Männer, die sich für das Hobby begeistern und dafür teils auch tief in die Tasche greifen. „Ich habe ein paar Hundert Stammkunden. Da sind welche dabei, die geben ein paar Euro im Monat für Briefmarken aus, aber auch solche, die 1000 Euro im Monat investieren“, erzählt Bürscher. Die Auktionshäuser gehen in Österreich von bis zu 6000 ständigen Käufern aus, die an der Versteigerung hochwertiger Stücke interessiert
sind. 40.000 Leser hat die Fachzeitschrift „Die Briefmarke“, die der Verband Österreichischer Philatelistenvereine gemeinsam mit der Österreichischen Post herausgibt.
Bürscher selbst hat im Alter von zehn Jahren Feuer gefangen. Nach einer kaufmännischen Ausbildung bei Julius Meinl machte er schließlich mit An
fang zwanzig sein liebstes Hobby zum Beruf. Wer das für langweilig hält, hatte noch nie Gelegenheit, mit dem Experten zu plaudern. Mit einem Adlerblick für Farbabweichungen oder kleine Fehler in der Zähnung (die Zacken rund um die Marke) kann der Experte seltene Sammlerstücke von schöner, aber wertloser Dutzendware unterscheiden. Viele, die mit Opas geerbtem Briefmarkenalbum bei ihm vorbeischauen, muss er nach einem Blick durch die Lupe enttäuschen. „Manchmal sind aber auch Sammlungen dabei, die tatsächlich ein paar Tausend Euro wert sind“, erzählt er. Die Pinzette möchte der 62-Jährige noch lange nicht aus der Hand legen. „Solange ich kann und Spaß daran habe, mache ich weiter“, versichert er.