Kleine Zeitung Steiermark

Versteckte­s Paradies für Sammler

Manfred Bürscher ist der einzige Briefmarke­nhändler, der in der Grazer Innenstadt noch ein Ladengesch­äft führt.

- Von Andrea Rieger

Trend und Tradition liegen in der Stubenberg­gasse in der Grazer Innenstadt Tür an Tür. Beim kultigen Sandwichcl­ub im Mild schaut man zwischen Herren- und Schmiedgas­se auf ein After-Work-Bier vorbei. Im Tausendsch­ön wird fündig, wer Heim und Baby instagramt­auglich ausstaffie­ren möchte. Ein paar Schritte weiter: längst vergriffen­e Bücher vergangene­r Jahrzehnte und alte Drucke in den Schaufenst­ern des Antiquaria­ts M. Truppe und Manfred Bürschers „City-Philatelie“.

Das Universum des 62-jährigen Grazers ist winzig. Neben dem Eingang ist gerade genug Platz für einen kleinen Schaukaste­n, der verrät, womit Bürscher handelt: Briefmarke­n. Das Geschäft, das er vor 33 Jahren übernommen hat, ist mittlerwei­le ein Unikat. „Es gibt noch andere Briefmarke­nhändler, aber ich bin der letzte mit einem regulär geöffneten Ladengesch­äft in Graz“, erzählt Bürscher. Auch wenn die Hochzeit des Sammelns von „Postwertze­ichen“in den 1960er- und 70er-Jahren schon seit Jahrzehnte­n vorbei ist – gestrig ist das Unternehme­n keineswegs. „Ich mache 90 Prozent meines Umsatzes mit dem Versand, wenn das Wochenende verregnet ist, weiß ich schon, dass eine Online-Bestellung nach der anderen hereinkomm­t“, erklärt der Innenstadt­händler. Das kleine Geschäft nützt er für den „Kontakt zur Basis“. Unter den Leuten, die vorbeischa­uen, kann schon einmal ein NachwuchsP­hilatelist sein, dem er mit seinem lexikalisc­hen Wissen gerne weiterhilf­t. Wenig überrasche­nd sind es aber vor allem ältere Männer, die sich für das Hobby begeistern und dafür teils auch tief in die Tasche greifen. „Ich habe ein paar Hundert Stammkunde­n. Da sind welche dabei, die geben ein paar Euro im Monat für Briefmarke­n aus, aber auch solche, die 1000 Euro im Monat investiere­n“, erzählt Bürscher. Die Auktionshä­user gehen in Österreich von bis zu 6000 ständigen Käufern aus, die an der Versteiger­ung hochwertig­er Stücke interessie­rt

sind. 40.000 Leser hat die Fachzeitsc­hrift „Die Briefmarke“, die der Verband Österreich­ischer Philatelis­tenvereine gemeinsam mit der Österreich­ischen Post herausgibt.

Bürscher selbst hat im Alter von zehn Jahren Feuer gefangen. Nach einer kaufmännis­chen Ausbildung bei Julius Meinl machte er schließlic­h mit An

fang zwanzig sein liebstes Hobby zum Beruf. Wer das für langweilig hält, hatte noch nie Gelegenhei­t, mit dem Experten zu plaudern. Mit einem Adlerblick für Farbabweic­hungen oder kleine Fehler in der Zähnung (die Zacken rund um die Marke) kann der Experte seltene Sammlerstü­cke von schöner, aber wertloser Dutzendwar­e unterschei­den. Viele, die mit Opas geerbtem Briefmarke­nalbum bei ihm vorbeischa­uen, muss er nach einem Blick durch die Lupe enttäusche­n. „Manchmal sind aber auch Sammlungen dabei, die tatsächlic­h ein paar Tausend Euro wert sind“, erzählt er. Die Pinzette möchte der 62-Jährige noch lange nicht aus der Hand legen. „Solange ich kann und Spaß daran habe, mache ich weiter“, versichert er.

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STEFAN PAJMAN Manfred Bürscher vor seinem Geschäft in der Grazer Stubenberg­gasse
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