Das Wunderkind hat sich gefunden
Lara Gut-Behrami (32) gewann nach acht Jahren den Gesamtweltcup.
Lara Gut war das, was man ein „Wunderkind“nennt. Als 16-Jährige feierte sie ihr Weltcupdebüt, die Erwartungen waren von Beginn an hoch. Erwartungen, mit denen sie zu kämpfen hatte – so wie mit ihrem eigenen Reifeprozess. Früh war sie Zentrum eines Privatteams, das von ihren Erfolgen lebte. Kein geringer Druck. Ihr Leben drehte sich einzig um den Skisport – und Siege. „Ich hatte das Gefühl, nichts wert zu sein, wenn ich nicht gewinne“, offenbarte sie nach dem fixierten zweiten Sieg im Gesamtweltcup.
Eine lange Reise liegt zwischen dem ersten Sieg 2016 und jenem 2023/24. „Ich war mit dem Erwachsenwerden beschäftigt, da hat man nicht viel Zeit“, sagte sie, „und ich habe davor sicher die falschen Prioritäten gesetzt.“Gut hetzte sich selbst ins Hamsterrad („Nach jedem Sieg hatte ich das Gefühl, am Tag danach wieder siegen zu müssen“), orientierte sich dabei links und rechts an anderen erfolgreichen Frauen, versuchte zu kopieren, auch unbewusst, anstatt selbst zu reifen. „Ich habe viele Erfolge gehabt, mir aber innerlich nicht die Zeit gegeben oder die Energie gefunden, mich damit zu beschäftigen.“Und Gut verlor darob fast die Freude am Skisport, verlor den Sinn aus den Augen.
Ein Kreuzbandriss setzte der Jagd ein jähes Ende. Und die Erkenntnis, dass man für das Leben „viel mehr braucht, als man dafür braucht, Weltcupsiege einzufahren“. Privat fand sie ihr Glück mit der Heirat mit dem Schweizer Fußball-Star Valon Behrami. Sportlich kehrte sie nach acht Jahren ganz an die Spitze zurück. „Es kommt mir vor wie zwei verschiedene Leben“, sagte sie. 2016 hatte sie das Gefühl, der Schweiz die Kugel schenken zu müssen. 2024 ist es ihr Verdienst, „meine Kugel“. Lara GutBehrami ist gereift, erwachsen. Gelassener, nicht mehr getrieben. „Jetzt bin ich als Mensch unterwegs. Ich genieße es, die Entscheidung getroffen zu haben, Ski zu fahren. Ich bin mit mir im Reinen.“Michael Schuen