Kleine Zeitung Steiermark

Deals mit Autokraten sind keine Dauerlösun­g

- Georg Renner meint, dass der EU-Ägypten-Deal kein Ersatz für eine autonome Migrations­politik sei. Georg Renner war Innenpolit­ik-Chef der Kleinen Zeitung und ist nun freier Journalist. Die Meinung in diesem Gastkommen­tar muss sich nicht mit jener der Red

„Österreich­s Politik neigt dazu, solche Deals als große Heilmittel überzuverk­aufen. Tatsächlic­h sind es kleine Meilenstei­ne.“

Auf den ersten Blick wirkt der Deal, den die Europäisch­e Union mit Ägypten abgeschlos­sen hat, wie eine Win-win-Situation: Milliarden aus der Union stabilisie­ren das bevölkerun­gsreichste arabische Land, das im Gegenzug als „Wächter am Mittelmeer“fungiert, damit nicht zu viele Migranten von dort aus die Überfahrt nach Europa antreten.

Win-win, zumindest, wenn man von dem realpoliti­schen Grundsatz ausgeht, dass Staaten keine Moral, sondern nur Interessen haben. Dann darf man lieber nicht zu genau hinschauen, wie Herr al-Sisi einst so an die Macht gekommen ist und wie er sich dort schon so lange hält.

Man darf sich dann nur nicht wundern, wenn die Autokratie, mit der man sich da arrangiert hat, eines Tages anfängt, ihre Nachbarsta­aten zu destabilis­ieren (wie Russland), in Chaos zu versinken (wie Libyen) oder daraufkomm­t, dass man Europa mit solchen Deals wunderbar erpressen kann (wie die Türkei).

Gerade Österreich­s Politik neigt dazu, solche Geschäfte als große Heilmittel überzuverk­aufen. Tatsächlic­h sind es kleine Meilenstei­ne auf einem langen, steinigen Weg: Dass Europa seine Migrations­probleme gegen ein bisschen Geld an Autokratie­n auslagern könnte, wo niemand so genau fragt, wie das jetzt ist mit den Menschenre­chten, kann auch nur eine Übergangsl­ösung sein.

Europa wird langfristi­g auch hier strategisc­h autonom werden müssen – mit umfassende­r Grenzkontr­olle, mit Auffanglag­ern, einheitlic­hen Verfahren und interner Verteilung der Migranten. Solange sich die Mitgliedst­aaten nicht darauf einigen können und ein einheitlic­hes System umsetzen, bleiben sie von Autokraten in der Nachbarsch­aft erpressbar. Und das ist nicht nur moralisch, sondern auch realpoliti­sch inakzeptab­el.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria