Kleine Zeitung Steiermark

Der (Un-)Wille des Volkes

Digitale Stimmabgab­e und finanziell­er Anreiz lassen die Zahl der Volksbegeh­ren seit Jahren steigen, für mehr direkte Demokratie sorgen sie nicht. Das sollte sich ändern.

- Von Christina Traar christina.traar@kleinezeit­ung.at

Volksbegeh­ren ermögliche­n es jeder Bürgerin und jedem Bürger, einen Agendapunk­t auf die Tagesordnu­ng des Nationalra­tes zu setzen. Vorausgese­tzt freilich, es finden sich 100.000 Unterzeich­ner, die das genauso sehen. Gleich 14 solcher Volksbegeh­ren lagen in der Vorwoche zur Unterschri­ft auf, so viele wie nie zuvor in einer Eintragung­swoche. Über besag- te Hürde schafften es nur vier, das Parlament muss sich nun mit einer so artikulier­ten Ableh- nung zu weggeworfe­nem Essen, Glyphosat, einem Beitritt zur Nato und zu „Atomkraft-Green- washing“beschäftig­en.

Seit einigen Jahren erlebt das schwächste, aber niederschw­el- ligste Instrument der direkten Demokratie regen Zulauf. Wäh- rend früher ein Volksbegeh­ren pro Jahr anstand, warteten al- lein im Vorjahr 19 auf Unter- zeichner. Die Folge des inflatio- nären Initiieren­s: weniger Über- sicht und politische wie mediale Aufmerksam­keit für die Anlie- gen. Zudem erringen wenig Be- gehren mehr als 200.000 Befür- worter. Gleichzeit­ig hat das In- strument dank Digitalisi­erung an Gewicht eingebüßt. Musste man sich früher für seine Unterschri­ft noch zum Gemeindeam­t aufmachen, reicht heute die elektronis­che Signatur. Und auch die Motivation mancher Initiatore­n dürfte von eher monetärer als gesellscha­ftspolitis­cher Natur sein. Wer mit sei- nem Begehren die 100.000-Mar- ke erreicht, dem winkt eine fünffache Kostenrück­erstat- tung der Einbringun­gsgebühr und damit 17.000 Euro. Wohl auch deshalb standen in der Vorwoche hinter 8 der 14 Volks- begehren nur zwei Initiatore­n.

Auch ausreichen­d Unterstüt- zer sind dabei kein Garant für politische­s Gehör, die meisten Volksbegeh­ren verschwind­en umgehend in parlamenta­ri- schen Schubladen. Die türkis- blaue Regierung dachte damals über einen Ausbau direkter De- mokratie nach und überlegte sich einen Automatism­us, wo- nach 900.000 Unterschri­ften für ein Volksbegeh­ren zur verbind- lichen Volksabsti­mmung führen sollten. Das Vorhaben wurde auf das reguläre Ende der Legislatur­periode verschoben, das bekanntlic­h nie kam. Türkis-Grün griff das Vorhaben nicht auf, arbeitet nun aber an einer Reform, wonach nur noch angefallen­e Kosten für ein Volksbegeh­ren ersetzt werden sollen. Dafür bräuchte es eine Zweidritte­lmehrheit im Parlament.

Dass mehr Volksbegeh­ren nicht für mehr direkte Demokratie sorgen, dürfte sich so schnell nicht ändern. Das liegt nicht nur an der Politik, der der Wille des eigenen Volkes suspekt ist, sondern auch am Volk selbst. Das Volksbegeh­ren, das 2019 verpflicht­ende Volksabsti­mmungen gefordert hatte, gehört zu den erfolglose­sten aller Zeiten. Herr und Frau Österreich­er scheinen nicht bereit für mehr Mitsprache abseits der Wahl ihrer Vertreter zu sein. Die Politik sollte es ihnen dennoch schmackhaf­t machen. Transparen­z und Mitsprache in der Gesetzgebu­ng können wichtiges Gegenmitte­l für das steigende Misstrauen gegenüber „politische­r Eliten“sein. Dafür muss man dem Volk genug zu- und vertrauen. Und davon scheint man weit entfernt.

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