Die gar nicht so glücklichen Finnen
Im heute erscheinenden Welt-Glücks-Report wird das Land wohl wieder einen Spitzenplatz belegen. Doch hinter den Heile-Welt-Klischees liegen viele Probleme.
Welches Land ist das glücklichste der Welt? Diese Frage wird heute mit der Veröffentlichung des „Welt-Glücks-Berichts“gelöst. Finnland könnte dann zum siebten Mal in Folge zur Nummer eins gekürt werden, oder vielleicht auf den zweiten oder dritten Platz verwiesen werden. Doch sind die Finnen und Finnen wirklich so glücklich?
Der Bericht, der unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen seit 2012 erscheint, hat Kriterien wie Gesundheit, die Lebenserwartung, die Wirtschaftsleistung, soziale Beziehungen und Korruption der Länder zur Grundlage. Via Umfragen werden auch Emotionen
wie Freude und Traurigkeit ermittelt. Mit involviert sind Gallup, eines der weltweit führenden Meinungsforschungsinstitute, das „Wohfühl-Recherche-Zentrum“der Universität Oxford sowie die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Illustre Namen also, die Autorität vermitteln. Und darum wird in der Berichterstattung weltweit das Ergebnis kaum hinterfragt, vielmehr freuen sich die Medien seit sechs Jahren stets im März darüber, launige Geschichten über Saunagänger, glasklare Seen und andere Finnlandklischees zu verbreiten.
Das Prädikat „glücklichstes Land“wird mittlerweile von den Finnen zu Geld gemacht, Ausländer können Seminare buchen, um das Glücklichsein zu erlernen. Es gibt jedoch auch finnische Kritik: „Wir sind die glücklichste Nation, doch warum fühlt es sich nicht so an?“, fragt die auflagenstärkste Zeitung „Helsingin Sanomat“.
Vor allem im Herbst und Winter fühlt sich Finnland nicht wirklich glücklich an, wenn es schon zu Mittag dunkel wird, es in den Bussen nach kaltem Zigarettenrauch und Alkohol riecht und Lächeln verboten scheint. Dieses Stimmungsbild schlägt sich auch in nackten Zahlen nieder. Finnland hat in der EU den höchsten Anteil an Personen mit psychischen Krankheiten und liegt bei Depressionen weltweit auf Platz neun. Der Verbrauch von Psychopharmaka ist hoch, die EU-weit meisten Dro
gentoten pro Kopf waren vor zwei Jahren in Finnland zu beklagen. Ein weiteres Problem ist die weit verbreitete Einsamkeit, das Rote Kreuz schlägt deswegen immer wieder Alarm.
Die Finnen machen es den Happiness-Forschern eigentlich leicht – die Probleme werden nicht unter den Teppich gekehrt. Themen wie Süchte, psychische Probleme behandeln die Medien des Landes häufig und ohne Weichtöne. Die Unzufriedenheit der Finnen hat sich auch in der Parlamentswahl im April manifestiert, seit der die rechte Partei „Basisfinnen“mitregiert und einige Politiker durch pessimistische Verschwörungstheorien aufgefallen sind.
Doch warum bewerten die Finnen ihr Leben als so positiv? Wer Finnen nach ihrem Befinden befragt, wird kaum ein Jammern hören. Dies liegt mitunter an der finnischen Nationaleigenschaft, dem „Sisu“, was mit „klagloser Beharrlichkeit“übersetzt werden kann. Angesichts des drohenden russischen Nachbarn meinte Ex-Präsident Sauli Niinistö bezeichnenderweise: „Finnen kennen keine Angst.“