Eltern vor Gericht: „Sie wollte nicht zum Arzt“
Eine krebskranke 14Jährige starb, weil Eltern sie Heilern anvertrauten. Gestern begann der Prozess. Es wurde vertagt.
Ich bereue nicht, dass meine Tochter und ich gemeinsam diesen Weg gegangen sind“, sagt die Mutter. Für ihre Tochter endete er im Februar 2023, sie verstarb mit 14 Jahren in einer Grazer Klinik an den Folgen ihrer Krebserkrankung. Staatsanwältin Ines Küttler schildert gestern am Landesgericht Klagenfurt die letzten Stunden des Mädchens: „Haut und Augen waren gelb, weil der Krebs die Leber angegriffen hatte. Sie konnte nicht mehr gehen, weil auch das Rückenmark betroffen war. Sie konnte nicht atmen, hatte Erstickungsängste, weil ein Tumor auf die Luft- und Speiseröhre gedrückt hat.“Die Anklagebehörde wirft dem Vater (57), einem Bodyguard, und der Mutter (40), einer Juristin, Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen vor, sie bekennen sich „nicht schuldig“.
Im Sommer 2022 wurde bei der Tochter ein Tumor am Fuß diagnostiziert. „Der Arzt sagte, die Größe sei nicht operabel, zuerst müsste eine Bestrahlung oder Chemo stattfinden. Dann wurde ein Termin für eine Biopsie in Graz vereinbart“, so die Mutter. Über ihre Erkrankung sei das Mädchen aufgeklärt gewesen. Und doch: Der Biopsietermin wurde nie wahrgenommen. „Meine Tochter hatte die Grippe“, erklärt der Vater. Aber am selben Tag bemühte er mit seinem Kind den ersten Alternativmediziner. Männer, die sich „Energetiker“, „Kinesiologe“, „Quantenmatrixtechniker“und „Alchemist“nannten, folgten. Behandelt wurde die 14-Jährige mit Katzenkralle (einer Pflanzenart), Vitamin C, Handauflegen und einem Gemisch aus Honig, Ingwer, Zimt und Nelken. Und mit Auspendeln. Das hätte „Wunder bewirkt“, so der Vater, der die 14-Jährige mit Murmeltiersalbe und Fußreflexzonenmassagen behandelte.
„Es war ihr Leben, sie hatte zu bestimmen, sie wollte nicht zum Arzt, hat das verweigert. Hätte ich sie hinschleifen sollen? Die Schulmedizin kommt mit Giften“, so der Vater, der selbst stets Alternativmediziner aufsucht. Zwei davon hätten sogar behauptet, dass es bei seiner Tochter keinen Tumor gebe. Aber die Schmerzen wurden schlimmer, erst zwei Tage vor
dem Tod der Tochter hätte sie dem Krankenhausaufenthalt zugebilligt. Der onkologische Sachverständige spricht von einem „Systemversagen“, das er angesichts des Falls orte. Er betont, dass eine Schmerzbehandlung auch dann möglich gewesen wäre, wenn die 14-Jährige eine Chemotherapie abgelehnt hätte. Die Heilungschancen beurteilt er mit 70 bis 80 Prozent, wenn der Krebs nach Entdeckung im Oktober 2022 noch ohne Metastasen gewesen wäre, 30 bis 50 Prozent im Falle einer Streuung. Wie es tatsächlich aussah, bleibt wegen der ausgefallenen Biopsie ungeklärt.
Verteidiger Alexander TodorKostic spricht davon, dass entlastende Beweisergebnisse nicht gewürdigt worden seien. „Die Eltern wollten nichts, als ihr Kind auf dem selbstbestimmten Weg zu begleiten.“Das Mädchen hätte einen geistigen Reifegrad wie eine 16-Jährige gehabt und die schulmedizinische Behandlung abgelehnt. Die Entscheidung, die Biopsie nicht wahrzunehmen, habe die Tochter selbst getroffen. Weil die Staatsanwältin weitere Zeugen befragen will, wird der Prozess vertagt. Nächste geplante Verhandlung: 15. Mai.