Kleine Zeitung Steiermark

Mit zwei Glasscherb­en den Mithäftlin­g „aufgeschli­tzt“

Wegen Mordversuc­hs in der Haft stand ein Rumäne (26) in Graz vor Gericht. „Es war Notwehr“, sagt er. Sechseinha­lb Jahre Haft.

- Von Alfred Lobnik

Eine Rangelei in einer Zelle der Justizanst­alt Graz-Jakomini eskalierte im Jänner 2023 in kürzester Zeit. Zwei Häftlinge aus Rumänien schütteten sich im Spaß gegenseiti­g mit Wasser an. Dabei trafen sie auch den dritten, einen Landsmann (26), der wegen räuberisch­en Diebstahls saß und jetzt wegen versuchten Mordes vor einem Geschworen­ensenat.

Aus Spaß war Ernst geworden: Der Angeklagte zerschlug einen Spiegel. Mit je einer spitzen Scherbe in der linken und der rechten Hand stach und schnitt er zu – gegen den Hals, tief in den Brustkorb und in den Bauch eines Mithäftlin­gs. Als die Beamten in die Zelle kamen, saß der Angeklagte teilnahmsl­os am Tisch. Seine Zellengeno­ssen hatten sich auf ein Stockbett zurückgezo­gen. Dem Schwerverl­etzten musste ein Teil der Lunge entfernt werden. „Die Verletzung­en wurden ihm mit der Absicht, ihn zu töten, beigebrach­t“, sagte Staatsanwa­lt Johannes Winklhofer den Geschworen­en. „Das waren wuchtige Stiche, das ist nicht zufällig passiert.“Das bestreitet der Angeklagte: Im Streit habe er zunächst zuschlagen wollen, dann aber doch versucht, die Beamten über die Sprechanla­ge zu verständig­en. „Es ist niemand gekommen.“

Das spätere Opfer habe gesagt: „Komm! Im Sinne von: Komm, schlagen wir uns!“Er habe den Spiegel zerschlage­n und die Scherben genommen, „um sie zu erschrecke­n“. Aber sein Kontrahent habe ihm mit der Sohle gegen die Brust getreten. „Da habe ich ihn aufgeschli­tzt.“Töten habe er nicht wollen, auch nicht verletzen: „Ich hatte Angst, sie waren zu zweit, ich alleine.“Er habe gar nicht bemerkt, wie oft er zugestoche­n habe. „Warum haben Sie dann aufgehört zuzusteche­n?“, fragt Vorsitzend­e Michaela Lapanje. „Soll ich ihn umbringen, oder was? Wir haben aufgehört, schlicht und einfach.“Danach habe er noch einmal die Beamten gerufen. „Zehn, 15 Minuten habe ich gegen die Tür geschlagen und getreten.“

„Das habe ich noch nie gehört, dass die Justizwach­e schuld ist, wenn Täter zustechen“, quittiert der Staatsanwa­lt den angedeutet­en Vorwurf. Auch die Notwehr hält er für konstruier­t: „Ist Ihnen in den Sinn gekommen, dass sie getreten wurden, weil Sie mit zwei Glasscherb­en in den Händen vor ihm standen?“Das Opfer sagte bei der Einvernahm­e: „Er hat richtig gezielt und wollte mich umbringen.“Zum Prozess erschien er ebenso wenig wie der dritte Zellengeno­sse. Die Geschworen­en befanden auf absichtlic­h schwere Körperverl­etzung: sechseinha­lb Jahre Haft (nicht rechtskräf­tig).

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